Stammzellforschung:Forscher erschaffen Mini-Hirne

Lesezeit: 2 min

cerebrale Organoide

Die mikroskopische Querschnittsaufnahme eines ganzen cerebralen Organoids zeigt die Entstehung verschiedener Hirnregionen.

(Foto: dpa)

Forschern ist es gelungen, millimeterkleine Gehirne im Labor zu züchten. Sie können die Entwicklung von Gehirnstrukturen imitieren, wie sie sich bis zur neunten Schwangerschaftswoche vollziehen.

Aus Stammzellen haben Wissenschaftler menschliche Miniatur-Gehirne erschaffen. Die "cerebralen Organoide" sind etwa vier Millimeter groß. Die dreidimensionalen Modelle bilden die frühe Entwicklung des menschlichen Gehirns nach. Sie könnten dazu beitragen, Entwicklungsstörungen und Krankheiten zu untersuchen - und zwar zum Teil besser, als dies mit tierischen Modellen möglich sei, schreiben die Forscher im Fachblatt Nature.

Ausgangspunkt für die Versuche des österreichisch-britischen Forscherteams um Jürgen Knoblich und Madeline Lancaster vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien waren zunächst embryonale Stammzellen. Diese sind in der Lage, sich in viele verschiedene Gewebe des Körpers zu verwandeln.

Sie besitzen eine enorme Fähigkeit zur Selbst-Organisation. Das heißt, die Zellen lagern sich unter geeigneten Kulturbedingungen auch ohne Zugabe von Wachstumsförderern oder anderen Chemikalien zu dreidimensionalen Geweben zusammen. Die Forscher nutzten diese Fähigkeit aus und ließen die Stammzellen ab einem bestimmten Entwicklungsstadium in einem sich drehenden Bioreaktor heranwachsen.

Durch die Rotation wird die Nährstoffversorgung der Zellen verbessert. Im Zeitraum von etwa zwei Monaten erreichten die Mini-Hirne ihre endgültige Größe von bis zu vier Millimetern. Die Gewebe seien unbegrenzt lebensfähig, schreiben die Forscher. Einige lagerten bereits zehn Monate in den Reaktoren.

Untersuchungen der Organoide zeigten, dass diese in verschiedene, voneinander abgrenzbare Bereiche unterteilt waren, wie Vorder-, Mittel- und Hinterhirn. Ganz ähnlich wie bei der natürlichen Entwicklung der menschlichen Großhirnrinde, bildeten sich zum Beispiel auch verschiedene Schichten in der Organkultur, in denen dann auch unterschiedliche Zellpopulationen gebildet wurden, etwa Nervenzellen und Gliazellen. Einzelne, räumlich voneinander entfernt liegende Bereiche standen miteinander in Verbindung.

"Im Durchschnitt können die Gehirn-Organoide die Entstehung von Gehirnstrukturen bis in die neunte Schwangerschaftswoche imitieren", erläutert Lancaster. Die Experten betonen, dass mit Hilfe der Organkultur auch Entwicklungsstörungen oder Erkrankungen erforscht werden können, die im Tierversuch aufgrund bestimmter grundlegender Unterschiede in der Gehirnentwicklung nicht untersucht werden können.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema