Stammzellen-Forschung:"Sonderrechte sind unnötig"

Stammzellen können nicht mehr nur aus Embryonen gewonnen werden, sondern auch aus normalen Körperzellen. Mediziner Günter Stock über die rechtlichen und ethischen Konsequenzen.

Katrin Blawat

Es war eine Sensation, als Forscher vor zwei Jahren entdeckten, wie sich normale Körperzellen zu Stammzellen umprogrammieren lassen. Eine Empfehlung, wie mit diesen sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) umzugehen ist, geben nun 17 Forscher im Namen der Nationalen Akademie der Wissenschaften und der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Deren Präsident, Günter Stock, erläutert die Einzelheiten.

Stammzellen-Forschung: Stammzellen aus Körperzellen: Menschliche iPS-Zellen unter dem Mikroskop.

Stammzellen aus Körperzellen: Menschliche iPS-Zellen unter dem Mikroskop.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Sie nennen Ihre Empfehlung "Neue Wege in der Stammzellforschung". Worin liegt das Neue ?

Stock: Stammzellen wurden bislang aus Embryonen gewonnen. Nun können wir mit biochemischen Tricks normale Körperzellen, oft sind es Hautzellen, dazu bringen, sich zu Stammzellen zurückzuentwickeln. Früher glaubte man, Zellen könnten sich nur in eine Richtung entwickeln, von der Stammzelle zur fertig ausdifferenzierten Zelle. Heute kennen wir hingegen auch den umgekehrten Weg.

SZ: Was bedeutet das für die Praxis?

Stock: Zu den rückprogrammierten Stammzellen haben wir relativ freien Zugang, und sie sind in viel größerer Menge verfügbar, was die Forschung ebenfalls erleichtert.

SZ: Sind embryonale Stammzellen also überflüssig?

Stock: Nein! Wir dürfen nicht aufhören, an embryonalen Stammzellen zu arbeiten. Sie sind sozusagen der Goldstandard. Außerdem schließe ich nicht aus, dass es einige wenige medizinische Indikationen gibt, für die man die embryonalen Stammzellen doch noch brauchen wird. Aber die große Sorge, dass viele Embryonen benötigt werden, ist nicht mehr gerechtfertigt.

SZ: Wie wirkt sich das auf den ethischen Aspekt der Diskussion aus?

Stock: Der Begriff der verbrauchenden Embryonenforschung ist nicht mehr zutreffend, und das entschärft die ethische Debatte deutlich. Sowohl im Embryonenschutzgesetz als auch im Stammzellgesetz sind wir immer von Zellen ausgegangen, die aus Embryonen gewonnen wurden. Diese Gesetze haben ihre Berechtigung, aber sie treffen nicht auf die neuen induzierten Stammzellen zu.

SZ: Sollen Wissenschaftler die induzierten Stammzellen also nach Belieben nutzen dürfen?

Stock: Nein, auf keinen Fall. Stammzellen, egal wie sie gewonnen wurden, zu Fortpflanzungszwecken zu gebrauchen, schließen wir aus. Selbst wenn es irgendwann technisch möglich sein sollte, wollen wir das nicht. Das ist eine klare Selbstbegrenzung, zu der sich meines Wissens alle, die ernsthafte Forschung betreiben, verpflichtet haben.

SZ: Fordern Sie noch weitere Einschränkungen?

Stock: Der Gebrauch oder medizinische Einsatz der rückprogrammierten Stammzellen soll ähnlich überwacht werden, wie es bei anderen Therapien auch üblich ist. Wir brauchen mit Sicherheit eine sehr gut funktionierende Qualitätskontrolle, weil die Methode völlig neu ist.

SZ: Wer könnte diese Kontrollen übernehmen?

Stock: Das Robert-Koch-Institut oder die Bundesärztekammer. Bevor es das Embryonenschutzgesetz gab, wachte eine Kommission der Bundesärztekammer ja auch über die Einhaltung standesrechtlicher Regelungen im Umgang mit Embryonen.

SZ: Brauchen wir neue Richtlinien?

Stock: Nein. Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung zurückhaltend mit gesetzlichen Vorgaben sein wird. Wir leben ja nicht im rechtlichen Nirvana. Alles, was wir brauchen, haben wir, auch eine Einrichtung wie die Zentrale Ethikkommission. Wenn wir die üblichen Überwachungsregeln anwenden, benötigen wir keine Sonderrechte für die Arbeit mit induzierten Stammzellen.

SZ: Welche Botschaft möchten Sie der Öffentlichkeit vermitteln?

Stock: Das medizinische Potential der induzierten Stammzellen ist beträchtlich, aber bis man konkrete Erfolge bekommt, wird es noch eine Weile dauern. Es liegt in unserer Verantwortung, nicht zu früh Hoffnung zu verbreiten.

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