Sprechen und Verstehen:Die Haut hört mit

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Hören ist nicht nur eine Sache des Ohrs. Auch die Sensibilität der Haut hilft, bestimmte Konsonanten voneinander zu unterscheiden.

Christopher Schrader

Aus Vancouver kommt jetzt eine Wissenschaftsmeldung, die vor allem im Dreieck Würzburg-Nürnberg-Hof große Aufmerksamkeit erregen dürfte. Die fränkische Mundart, die dort gesprochen wird, unterscheidet nicht zwischen den Konsonanten p und b sowie t und d.

b oder p, d oder t: Nicht nur das Ohr allein identifiziert die Laute, sondern auch die Haut hilft dabei. (Foto: Foto: iStockphoto)

Diese in der Phonetik Verschlusslaute genannten Klänge spezifiziert der Franke beim Buchstabieren zwar als "hart" oder "weich", spricht sie aber alle "weich" aus. So kommen Textzeilen wie in Willy Astors "Frankenlied" zustande: "Franggen sind brudal erodisch und mendal dodal hybnodisch."

Im Hochdeutschen unterscheiden sich die Klänge unter anderem durch einen kleinen Luftstoß, der dem Mund entweicht: p und t sind "behaucht", wie es in der Phonetik heißt, b und d aber nicht. Und offenbar, so belegen nun Bryan Gick und Donald Derrick (die beide nur am Ende des Nachnamens behauchte Konsonanten tragen), ist genau dieser kleine Luftstoß für das Verständnis der Laute wichtig.

Die Linguisten von der University of British Columbia in Vancouver haben 66 Versuchspersonen einfache Silben vom Tonband vorgespielt: pa, ba, ta, da. Im Hintergrund rauschte es unter dem Kopfhörer kräftig, so dass die Probanden im Mittel nur etwa zwei Drittel der gehörten Laute identifizieren konnten ( Nature, Bd.462, S.502, 2009).

Was sagen die Franken?

Dann schalteten die Forscher einen Generator ein, der synchron zur Stimme im Kopfhörer nicht hörbare, kleine Luftstöße durch einen Plastikschlauch auf Handrücken oder Kehle lenkte. Wo sie passten, also bei den behauchten Lauten ta und pa, verbesserten sie das Verständnis, wo sie falsch waren, verwirrten sie die Testpersonen.

Der Effekt war bei Luftstößen auf die Hand etwas größer, womöglich weil die Probanden schon häufig die Luftbewegungen gespürt hatten, wenn sie selber harte Konsonanten aussprachen. Aber auch den Hauch an der Kehle konnte das Gehirn mit dem Klang zusammenbringen, obwohl die Nervenzellen der Haut hier weit weniger Erfahrung mit solchen Luftstößen haben dürften.

Mit der Studie haben die zwei Linguisten ein neues Forschungsfeld eröffnet; gerade Hochschulen in Erlangen oder Bamberg könnten nun weitere Arbeiten dazu beisteuern. Wie zum Beispiel ginge die Studie mit fränkischen Probanden aus? Können sie die Luftstöße, die in ihrer Mundart keine Rolle spielen, korrekt interpretieren? Wären sie gegen einen Hauch zur falschen Zeit immun?

© SZ vom 26.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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