Soziale Roboter:"Ich weiß, es ist schwierig mit mir zu arbeiten"

Lieber bockig, als gefühllos: Roboter müssen Emotionen zeigen, damit Menschen sie akzeptieren. Also lassen Forscher die Maschinen erröten und meckern.

Katrin Blawat

Der etwa 20 Zentimeter große Roboter kann mit den Augen klimpern, Brauen und Mund verziehen sowie sein Gegenüber beobachten und ihm zuhören. Viel ist das nicht, doch es genügt, um den Eindruck zu vermitteln, dass der Roboter versteht, was er sieht und hört. Reichen solch rudimentäre Fähigkeiten aus, damit Menschen eine Maschine als angenehme Gesellschaft empfinden und sich in Anwesenheit von Robotern wohlfühlen?

Soziale Roboter: Der Roboter iCat kann verschiedene Gefühlslagen ausdrücken: Er klimpert mit den Augen, zieht die Brauen nach oben oder bewegt die Lippen.

Der Roboter iCat kann verschiedene Gefühlslagen ausdrücken: Er klimpert mit den Augen, zieht die Brauen nach oben oder bewegt die Lippen. 

(Foto: oh)

Fragen wie diese stellen sich Forscher am "Exzellenzcluster Cognitive Interaction Technology" (Citec) der Universität Bielefeld. Dort wollen Informatiker, Ingenieure, Psychologen, Philosophen und Designer ergründen, welche Eigenschaften die sogenannten sozialen Roboter haben müssen, damit der Mensch sie als Aufpasser, Spielkamerad, Lehrer oder Haushaltshilfe akzeptiert.

Die Bielefelder Forscher baten Probanden, der Maschine - wegen ihres katzenähnlichen Aussehens "iCat" genannt - das Märchen vom Rotkäppchen vorzulesen. Dabei hatten die Forscher den Roboter so programmiert, dass sein Mienenspiel ständig wechselte. Machte dies den Roboter zu einem sympathischen Zuhörer?

Ja, sagten die Probanden übereinstimmend. Damit Menschen Roboter mögen, müssen die Maschinen Gefühle ausdrücken können. Nur dann ist der Mensch bereit, mit einem Gebilde aus Kabeln, Kameras und Kunststoff zusammenzuarbeiten, ihm vielleicht sogar seine Kinder, alte Menschen und Behinderte anzuvertrauen.

Dass ein Roboter den passenden Moment erkennt, in dem er lächeln muss, kann wichtiger sein als die Frage, ob er Treppen steigen kann. "In Europa ist man Robotern gegenüber misstrauisch, da kommen ganz schnell Frankenstein-Fantasien auf", sagt Frank Hegel, der als Industriedesigner am Citec arbeitet.

Rubi unterrichtet Finnisch

"In Japan haben die Menschen viel weniger Probleme damit, unbelebten Dingen Emotionen oder so etwas wie eine Seele zuzuschreiben." Entsprechend verbreitet sind soziale Roboter in Asien. In Japan spielen Bewohner von Altenheimen mit der Roboter-Robbe Paro, in Südkorea begleiten Hunderte Roboter als Assistenten die Lehrer in den Unterricht. In drei Jahren soll es in allen Kindergärten des Landes wenigstens einen Roboter geben, der hilft, auf die Kinder aufzupassen. Rubi, eine Entwicklung der Universität in San Diego, bringt Vierjährigen Finnisch bei.

Auch in Europa gibt es erste Erfahrungen mit knuffigen Figuren, in denen ausgefeilte Technik steckt. Britische Forscher versuchen, Gefühlsleben und Mimik des entfernt an ein Baby erinnernden Roboters Nao so zu perfektionieren, dass er Kindern in Krankenhäusern Angst vor Operationen nehmen kann.

Einen katzengroßen Dinosaurier-Roboter namens Pleo gibt es seit Jahren auch in Deutschland zu kaufen. "Grundsätzlich sind viele Menschen bereit, sich auf Maschinen als Kommunikations- oder Spielpartner einzulassen", sagt Gerhard Sagerer, Roboterforscher und Rektor der Universität Bielefeld. "Menschen reden ja auch mit ihrem Auto oder Computer."

Ein bisschen Widerspenstigkeit muss sein

Welche Eigenschaften aber entscheiden letztendlich darüber, wie bereitwillig Menschen einen Roboter als Spielpartner, Haushaltshilfe, Lehrer oder Aufpasser akzeptieren? Wie muss die Maschine aussehen, wie muss sie sich verhalten? Nicht weniger als das Profil eines Ideal-Roboters ist es, was die Bielefelder Forscher und andere Experten erstellen wollen. "Die Verhaltensweisen und Reaktionen müssen nicht besonders komplex sein", sagt Sagerer. "Schon ganz wenige Aspekte geben einem das Gefühl, verstanden zu werden - wenn es nur die richtigen sind."

Wichtig ist vor allem, dass die Maschine liebenswert erscheint - so sehr, dass man ihr auch Fehler verzeiht. Und sie muss um ihre eigene Unzulänglichkeit wissen und diese auch öffentlich eingestehen. In einer Studie sollten Probanden einem humanoiden, also menschenähnlichen Roboter eine halbe Stunde lang alltägliche Handgriffe erklären.

Dass der Roboter anschließend Fehler machen würde, war auch den Versuchspersonen klar. Dennoch zeigten sie dafür viel größeres Verständnis, wenn die Maschine von Zeit zu Zeit beschwichtigte: "Ich weiß, dass es manchmal nicht einfach ist, mit mir zusammenzuarbeiten. Bitte lass dich davon nicht entmutigen."

Umgekehrt muss der Roboter auch erkennen, wenn die Zeit des freundlichen Säusel-Tons vorbei ist. Reagiert der Mensch unwirsch, darf auch der Roboter in Stimme und Mimik strenger werden. "Wir wollen immer eine Reaktion auf unser Verhalten sehen", sagt Sagerer, der dank der Roboterforschung viel über den Menschen gelernt hat. "Das Gegenteil kennen wir von Telefonhotlines, bei denen die Automatenstimme auch dann noch freundlich bleibt, wenn man sie unflätig beschimpft. Das treibt jeden zur Weißglut."

Nicht nur wie, sondern auch wann der Roboter reagiert, entscheidet über seinen Erfolg. Antwortet die Maschine eine halbe Sekunde zu früh oder lässt mehr als 1,5 Sekunden verstreichen, brechen zumindest Kinder ihre Bemühungen sofort ab, wie Versuche mit dem kalifornischen Roboter Rubi gezeigt haben.

Akzeptiert wird der Roboter als Gesprächspartner nur, wenn er sich an die üblichen Regeln der menschlichen Kommunikation hält. Dass Angehörige verschiedener Kulturen unterschiedlich lange Pausen zwischen Frage und Antwort gewohnt sind, macht die Sache für Roboterentwickler nicht einfacher.

Zu perfekt und berechenbar darf die Maschine allerdings auch nicht sein, dann werde sie schnell langweilig, sagt Sagerer: "Wir mögen es auf Dauer nicht, wenn ein Job einfach nur erledigt wird." Genau das hatten seine Programmierer anfangs dem hundeähnlichen Roboter Aibo beigebracht.

Dann bauten seine Entwickler ihm ein bisschen Widerspenstigkeit ein, und in Testreihen kam der bockige Roboter gut an. Rubi hingegen musste zu seinem eigenen Schutz garstig werden: Die Kinder, denen er Finnisch beibringen sollte, rissen ihm anfangs immer wieder die Arme ab. Jetzt brüllt der Roboter bei derartigen Versuchen und hat seither seine Ruhe.

Niemand mag einen Roboter, der wie aussieht wie ein Mensch

Niemand mag Roboter, die aussehen wie Tote

Was eine Maschine liebenswert macht, ist ihre Menschenähnlichkeit - im Verhalten ebenso wie im Aussehen. Doch müssen die Forscher genau wissen, wie weit sie gehen dürfen. Niemand mag einen Roboter, den man auf den ersten Blick mit einer realen Person verwechseln könnte. "Je perfekter die Imitation ist, umso mehr versuchen wir uns in die Maschine hineinzuversetzen und umso mehr erwarten wir, dass sie wie ein Mensch reagiert", sagt Frank Hegel. "Wenn diese Erwartung nicht erfüllt wird, bemerken wir jede kleine Abweichung."

Die Frau sähe gruselig aus, wie eine Tote, sagte eine Probandin in einer Studie, in der Karl MacDorman von der Osaka University dieses in der Fachwelt als Uncanny-Valley-Hypothese bekannte Phänomen untersuchte. Die Probandin hatte nicht gemerkt, dass sie das Bild eines Roboters betrachtet hatte.

Klein muss er außerdem sein, der ideale soziale Roboter, damit ihn niemand als Bedrohung empfindet. Am wichtigsten - und für die Entwickler am schwierigsten - aber ist der Kopf. Das Gesicht muss sympathisch erscheinen und Gefühle zeigen können, und gleichzeitig muss die gesamte Technik für die Sinneswahrnehmung wie Kameras und Mikrofone dort untergebracht werden - ohne dass von außen Anschlüsse oder sonstige Vorrichtungen sichtbar sind, die an das technische Innenleben erinnern.

Flobi erfüllt all diese Anforderungen. Der Roboterkopf aus dem Bielefelder Institut kann dank 15 Motoren Traurigkeit, Freude, Ärger, Überraschung und Angst so ausdrücken, dass die meisten Menschen die jeweilige Emotion spontan erkennen.

Sogar erröten kann der Roboter dank kleiner Lämpchen in seinen Wangen - wie sicher Menschen dies als Zeichen für Freude oder Scham interpretieren, testen Flobis Entwickler noch. Frank Hegel hantiert kurz an dem Roboterkopf, ersetzt die Lippen durch etwas rötere, tauscht das Modul mit den Haaren aus, und schon ist Flobi zu einem weiblichen Roboter geworden.

Probanden, die Flobi in dieser Ausrüstung sahen, trauten ihr eher Aufgaben zu, die oft von Frauen erledigt werden, etwa andere Menschen zu pflegen. Den männlichen Flobi assoziierten sie hingegen zum Beispiel mit dem Begriff "Schraubenzieher".

Flobis nächste Aufgabe steht schon fest. Im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik in Köln soll er Astronauten, die während ihrer Aufenthalte im All viel Muskelmasse verlieren, zum Fitnesstraining ermuntern: Der Roboter turnt vor und spornt mit ein paar freundlichen Worten an, die Astronauten machen mit, so lautet der Plan.

Frank Hegel hat sich in Fitnessstudios umgeschaut, um Flobi möglichst realistisch auf die Aufgabe vorzubereiten. Doch sollte der Roboter scheitern, wäre das keine Schande. Die Menschen aus ihrer Bequemlichkeit zu reißen, ist vielleicht die schwerste Aufgabe überhaupt, nicht nur für einen Roboter.

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