Freunde finden war nie einfacher: Mit 350 Menschen ist jeder Facebook-Nutzer im Durchschnitt verbunden, junge Erwachsenen haben sogar 649 Freunde. Goldene Zeiten für die Freundschaft, könnte man meinen. Doch eine Analyse von US-Forschern kommt zu anderen Ergebnissen: Obwohl die Kontakte in sozialen Medien zunehmen, bleibt die Anzahl enger Vertrauter erstaunlich gering und sinkt im Laufe des Lebens sogar noch.
Für die Studie, die im Fachmagazin Plos One erschienen ist, befragten Forscher um Brian Gillespie von der Sonoma State University 25 185 zufällig ausgewählte Besucher einer Nachrichtenseite zu ihrem Freundeskreis. Da jeder etwas anderes unter dem Begriff Freundschaft versteht, stellten die Soziologen spezifischere Fragen: Von wie vielen Ihrer Freunde würden Sie erwarten, dass sie mit Ihnen etwas an Ihrem Geburtstag unternehmen? Wie viele könnten Sie mitten in der Nacht bei einem persönlichen Problem anrufen? Mit wie vielen sprechen Sie über das eigene Sexualleben?
Die meisten Befragten rechneten damit, dass zwischen fünf und zehn Personen zur Geburtstagsparty erscheinen würden. Für den nächtlichen Notfall kämen etwa fünf bis sieben Telefonnummern infrage. Und im Durchschnitt würden sie mit drei bis sieben Personen über Intimes sprechen.
Sexuelle Orientierung spielt keine Rolle
Die Wissenschaftler durchleuchteten die Freundschaftsnetzwerke zudem nach Geschlecht und sexueller Orientierung. So bestand die Vermutung, dass schwule Männer und lesbische Frauen mehr Freundschaften pflegen als Heterosexuelle. Da sie häufig einem homophoben und ablehnenden Umfeld ausgesetzt seien, bräuchten sie zum Ausgleich ein größeres soziales Netz, vermutete man. Zudem hätten Schwule mehr weibliche Freundinnen als Heterosexuelle.
Die Studie räumt mit diesen Vorstellungen auf. Unterschiede zwischen sexuell unterschiedlich orientierten Gruppen "sind allgemein klein oder nicht vorhanden", schreiben die Soziologen. Auch die Anzahl enger Freunde hänge nicht von der sexuellen Orientierung ab. Allerdings weisen die Forscher darauf hin, dass ihre Stichprobe nicht repräsentativ und die Aussage ihrer Arbeit daher begrenzt ist. Dazu kommt, dass an Netz-Umfragen überdurchschnittlich viele Menschen aus gebildeten und einkommensstarken Schichten teilnehmen.
Der Freundeskreis verkleinert sich im Laufe des Lebens
Einig sind sich Wissenschaftler darin, dass Alter für Freundschaften eine große Rolle spielt. "In der Jugend schließt man immer mehr Freundschaften, doch schon im frühen Erwachsenenalter sinkt die Zahl wieder", sagt der Psychologe Franz Neyer von der Universität Jena. Bei der Auswertung mehrerer Studien mit insgesamt 178 000 Teilnehmern konnte ein Team um Neyer zeigen, dass 25-Jährige die meisten Freundschaften pflegen - danach geht die Zahl stetig zurück. Untersuchungen aus den letzten Jahren legen sogar nahe, dass die Größe sozialer Netzwerke im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten leicht geschrumpft ist - ein Fakt, den Wissenschaftler bislang nicht recht erklären können.
"An der Zahl richtig guter Freunde, die man im Leben trifft, haben auch soziale Medien nichts geändert", sagt Neyer. Für die Lebenszufriedenheit sei die Anzahl der Freunde ohnehin ohne Belang, so der Psychologe. "Dafür ist allein die Qualität der Freundschaften entscheidend." Zu diesem Ergebnis kommen auch die US-Forscher. Die Anzahl der Facebook-Freunde ist also noch kein Indikator für persönliches Glück.