Süddeutsche Zeitung

Sonde Parker Solar:Reise zur Sonne

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Von Alexander Stirn

Zur Sonne. Und zwar so nah, wie es noch kein menschengemachtes Gerät geschafft hat. Das ist das Ziel der amerikanischen Raumsonde Parker Solar Probe, die am Samstag - sofern Wetter und Technik mitspielen - ins All aufbrechen soll. Die neueste Sonde der US-Raumfahrtbehörde Nasa soll ihrem Beobachtungsobjekt so nahe kommen, dass sie es berührt. Das wird eine knifflige Sache.

Die Sonne, jener vermeintlich harmlose Stern, um den sich alles im Planetensystem dreht, gilt als ziemlich unberechenbare Cholerikerin: Sie versorgt die Erde nicht nur mit Licht und Wärme, sondern schleudert von Zeit zu Zeit ohne Vorwarnung auch riesige Mengen Strahlung und geladene Teilchen ins All.

Treffen diese Partikel mit Geschwindigkeiten von bis zu drei Millionen Kilometern pro Stunde auf die Erde, können sie Funk und Navigationssysteme stören. Sie können Satelliten beschädigen und im schlimmsten Fall sogar das Stromnetz lahmlegen - monatelang. Ein massiver Sonnensturm könnte Schäden von bis zu zwei Billionen US-Dollar zur Folge haben, so eine Studie der Nationalen Wissenschaftsakademien der USA.

Wie und warum es zu solchen Eruptionen kommt, ist auch nach Jahrzehnten der Sonnenforschung nur unzureichend geklärt. Vor allem aber sehen Astronomen bislang keine Möglichkeit, die gefährlichen Ausbrüche vorherzusagen. Sie überkommen die Sonne offenbar ähnlich überraschend wie ein Schluckauf den Menschen. Sicher scheint nur, dass die sogenannte Korona, die dünne aber heiße Atmosphäre der Sonne, eine wichtige Rolle spielt - vermutlich angestachelt vom Magnetfeld des Sterns, das sich immer wieder verdreht, verknotet, verspannt und dann schlagartig aufplatzt.

Genau hier soll Parker Solar Probe ansetzen. Oder besser gesagt: eintauchen. Wenn beim Start - geplant für Samstagvormittag deutscher Zeit - nichts dazwischenkommt, wird die gut 650 Kilogramm schwere Sonde in den kommenden sieben Jahren zwei Dutzend Mal durch die Sonnenkorona fliegen. Nach und nach soll sie sich dabei auf weniger als 6,2 Millionen Kilometer an die brodelnde Oberfläche des Sterns herantasten - deutlich näher als je ein Raumfahrzeug zuvor. Es ist ein beachtlicher Vorstoß: Vergleicht man die Entfernung zwischen Erde und Sonne mit der Länge eines Fußballfeldes, dann wäre Parker beim engsten Vorbeiflug weniger als fünf Meter vom gegnerischen Tor entfernt. Dort, im Fünf-Meter-Raum, soll die Sonde Tuchfühlung mit dem gefährlichen Sonnenwind aufnehmen. Sie soll untersuchen, wie dessen Teilchen entstehen, wie sie sich bewegen, was sie antreibt, aber auch wie sich Energie und Hitze in der dünnen Atmosphäre ausbreiten.

Es wird ein heißer Ritt. "Kommt man der Sonne derart nahe, besteht die Herausforderung nicht allein darin, den Sonnenwind zu vermessen", sagt Thomas Zurbuchen, der Wissenschaftschef der Nasa. "Die Herausforderung heißt dann schlichtweg: überleben." Temperaturen von mehr als einer Million Grad Celsius erwarten Parker in der Korona. Um nicht gegrillt zu werden, trägt die Sonde daher einen großen Hitzeschild vor sich her. Er besteht aus zwei Kohlefaserplatten, zwischen denen Ingenieure einen knapp zwölf Zentimeter dicken Kohlefaserschaum gepackt haben.

Diese Konstruktion soll vor allem die empfindliche Elektronik schützen. Berechnungen zufolge könnte sich die Vorderseite des Hitzeschilds bei Annäherung an die Sonne auf 1400 Grad Celsius aufheizen. Trotzdem soll es im Schatten, wo Bordcomputer, Steuereinheit und die meisten wissenschaftlichen Instrumente sitzen, nie wärmer als 30 Grad werden. Selbst die langen Solarpaneele, die Parker mit Strom versorgen, werden sich während des Flugs durch die Korona fast komplett hinter dem Kohlefaser-Sonnenschirm verstecken. Trotzdem müssen sie mit Wasser gekühlt werden - ein Aufwand, den die Nasa zuvor bei keiner anderen Sonde betreiben musste.

Der dicke Hitzeschild hat allerdings auch einen Nachteil: Kein Messgerät kann hindurchblicken. Direkte Beobachtungen der Sonne sind somit unmöglich. Genau deshalb wird Parker in ein paar Jahren Gesellschaft bekommen: von einer europäischen Sonnensonde namens Solar Orbiter. Das Raumfahrzeug, das derzeit startklar gemacht wird, soll zwar einen Respektabstand von 45 Millionen Kilometern zur Sonne einhalten, kann aus dieser kühleren Perspektive die Vorgänge in der Korona aber stets im Blick behalten.

"Das ist wirklich eine gute Ergänzung", sagt Nasa-Wissenschaftler Zurbuchen. "Wir freuen uns darauf, die Ergebnisse der beide Missionen zu kombinieren." Noch müssen die Amerikaner allerdings etwas warten. Aufgrund technischer Probleme wird der europäische Solar Orbiter, der bereits vergangenes Jahr hätte abheben sollen, nun erst 2020 starten können. Parker dürfte sich dann längst warmgelaufen haben.

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