Süddeutsche Zeitung

Solarthermie:Strom aus der Wüste

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Ein Besuch auf der Plataforma Solar de Almería (PSA) in Spanien, Europas größtem Sonnenkraftwerk. Hier arbeiten deutsche und spanische Wissenschaftler an der Entwicklung solarthermischer Kraftwerke.

Hanna Haag

Die Luft schmeckt salzig, nach Meer. Es ist brütend heiß. Auf der Autovía del Mediterráneo ist kaum Verkehr. Sie führt vorbei an Almería. Vorbei an der Stadt, dem Hafen, den Stränden. In der Ferne rauscht das Wasser.

Nach einer halben Stunde Fahrt ist die Luft staubig und trocken geworden. Eine kurvige Straße schlängelt sich durch die Berge der Sierra Nevada. Hier, in der Wüste von Tabernas, der einzigen echten Wüste Europas, scheint die Sonne rund 3000 Stunden im Jahr bei sommerlichen Temperaturen bis 40 Grad im Schatten. Ideale Bedingungen für eine Solarforschungsanlage.

Schon von weitem ragt der 83 Meter hohe Solarturm, das Wahrzeichen der Plataforma Solar de Almería (PSA), aus der kargen Landschaft empor. Große Spiegelflächen im Gelände reflektieren das Sonnenlicht.

Ein Pförtner öffnet die Schranke. Dahinter wartet ein grünes Bähnchen auf die Besucher. Es erinnert ein wenig an einen deutschen Jahrmarkt. "Das ist unser Touristenbähnchen. Mit Elektromotor", erklärt Klaus Pottler.

Der gebürtige Franke arbeitet seit fünf Jahren als Physiker auf der PSA, zusammen mit elf weiteren Kollegen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). "Wir nehmen lieber das Auto, der Weg ist noch weit."

Die Gründung der Plataforma Solar geht auf die erste Ölkrise der siebziger Jahre zurück. Damals kam zum ersten Mal die Frage nach alternativen Energiequellen in die politische Diskussion. "Der Ölpreis war so stark gestiegen, dass man sich Gedanken darüber gemacht hat, wie auf andere Weise elektrische Energie erzeugt werden kann" erläutert Pottler. "Es wurde nach einer Lösung gesucht, um fossile Rohstoffe einzusparen und weniger Emission zu erzeugen."

Erste Anlagen seit 1980 in Betrieb

In den späten Siebzigern beschloss daraufhin die Internationale Energieagentur (IEA), eine Parabolrinnen- und Solarturm-Testanlage zu bauen, mit deren Hilfe die Sonnenstrahlung zur Energieerzeugung genutzt werden sollte.

Die spanische Regierung stellte das Gelände in der Wüste von Tabernas zur Verfügung, die Koordination des Projektes übernahm das DLR. 1980 wurden die ersten Anlagen in Betrieb genommen. Für die Region ein erfreulicher Moment. Denn die Produktion von Western, für die hier Filmhelden wie Clint Eastwood durch die Wüste geritten waren, hatte zu dieser Zeit deutlich nachgelassen. Durch den Bau und Betrieb der Forschungsanlage entstanden nun wieder neue Arbeitsplätze.

Heute arbeiten neben den deutschen Forschern unter Leitung von Christoph Richter noch zwanzig spanische Wissenschaftler des geschäftsführenden Energieforschungszentrums CIEMAT auf der Plataforma. Hinzu kommen rund vierzig spanische Angestellte, die für die Verwaltung sowie die Instandhaltung der Testanlagen zuständig sind.

"Die Zusammenarbeit mit den spanischen Kollegen klappt sehr gut. Nur mit der Sprache ist es manchmal etwas schwierig, denn die meisten hier sprechen kein Englisch. Wir müssen uns also anpassen", sagt Pottler, dem man auch in seinem Spanisch den fränkischen Dialekt anhört.

Rinnen- und Turmkraftwerke haben sich durchgesetzt

Rinnen- und Turmkraftwerke haben sich in der solarthermischen Energieerzeugung durchgesetzt. Beide ähneln sich vom Prinzip her: Ein Rinnenkraftwerk besteht aus parabelförmigen Spiegeln, die der Sonne nachgeführt werden. Sie konzentrieren die Sonnenstrahlen bis zu achtzigfach auf ein Absorberrohr. Darin fließt ein Wärmeträgermedium, meistens Öl, das durch die Sonnenenergie auf rund 400 Grad erhitzt wird und Wasserdampf erzeugt. Der Dampf treibt wiederum eine Turbine an, und diese erzeugt Strom. Als " ganz simpel", bezeichnet Pottler den Vorgang.

Im Turmkraftwerk werden die Parabolspiegel durch Hunderte bis Tausende Heliostate, große leicht gekrümmte Spiegelflächen, ersetzt. Sie werden bei Sonnenschein so ausgerichtet, dass das Sonnenlicht auf den zentralen Brennpunkt im Turm reflektiert wird. Dort befindet sich ein Empfänger, der die Strahlung in Dampf umwandelt und eine Turbine in Bewegung setzt. Erreicht werden dabei bis zu fünf Megawatt thermischer Energie.

Etwas entfernt von der Straße, die das über hundert Hektar große Gelände durchquert, stehen kreisrunde Scheiben, die wie Ufos aussehen. Sie erinnern an die Kulisse eines Science-Fiction-Films. "Das ist unsere Dish-Stirling-Anlage", erklärt der Fachmann. "Was wie ein großer Teller aussieht, ist ein Hohlspiegel mit gut achteinhalb Metern Durchmesser. Der Spiegel ist mit einem Stirling-Motor, einer Wärmekraftmaschine verbunden, die Wärme in mechanische Energie und letztlich in Strom umwandelt".

Um die Kosten solarthermischer Kraftwerke auf ein Minimum zu reduzieren, arbeiten die Forscher der PSA mit Vertretern der deutschen Industrie an der Verbesserung der eingesetzten Technologien, oft mit finanzieller Förderung des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). So wurde beispielsweise im Rahmen eines EU-Förderprogramms eine Direktverdampfungsanlage entwickelt, in der das Wärmeträgermedium Öl durch Wasser ersetzt wird.

Alle Komponenten müssen optimiert werden

"Thermoöl ist sehr teuer und zersetzt sich bei hohen Temperaturen nach einiger Zeit. Außerdem ist es brennbar und könnte bei einem Leck den Untergrund schädigen", sagt der deutsche Physiker. "Direktverdampfung ist billiger und bringt höhere Wirkungsgrade."

Auch die Qualität der verwendeten Technik wird von den Physikern und Ingenieuren unter die Lupe genommen. Denn durch mangelhaften Zustand der Bauteile kann es zu sehr großen Energieverlusten kommen. Wird das heiße Öl durch schlecht isolierte Leitungen geschickt, geht die teuer erzeugte Wärme ungenutzt wieder verloren. Wenn aber die Sonnenenergie kosteneffizient genutzt werden soll, müssen alle Komponenten so optimiert werden, dass man die gewonnene Energie nicht wieder verliert.

Bei Pottler ist das lockere Lächeln einem prüfenden Blick gewichen, während er die Konzentratoren der Parabolrinnen noch einmal begutachtet. Er will sicher gehen, dass kein Spiegel falsch herum montiert wurde.

Strom wird auf der PSA allerdings kaum erzeugt. Dafür aber im 400 Kilometer entfernten Sevilla, wo vor drei Jahren unter Leitung der spanischen Firma Abengoa mit dem Bau des ersten Solarturmkraftwerkes begonnen wurde. Die andalusische Hauptstadt ist als sonnenreichste Stadt Europas geradezu prädestiniert für ein solches Projekt.

Im März dieses Jahres ging das Kraftwerk ans Netz und versorgt mit elf Megawatt rund 6000 Haushalte. Auch zwei 50-Megawatt-Rinnenkraftwerke werden derzeit bei Guadix in der Provinz Granada errichtet. Die Planung stammt von der Erlanger Solar Millennium AG. Geschätzte Baukosten: etwa 280 Millionen Euro pro Kraftwerk. Es ist also auch viel Geld im Spiel.

An der PSA wurden im Vorfeld die verwendeten Kollektoren entwickelt, getestet und optimiert. Bereits im kommenden Jahr soll das erste Kraftwerk in Betrieb gehen.

Solarthermische Kraftwerke weisen im Vergleich mit anderen erneuerbaren Energiequellen klare Vorteile auf. "Zur Energieerzeugung sind sie nicht auf konstantes Sonnenlicht angewiesen. Wenn zum Beispiel eine Wolke aufzieht, kann die Turbine trotzdem noch mit Volllast laufen, weil sich der Wärmeträger - das Wasser - speichern lässt", erläutert Pottler.

"Das Kraftwerk Andasol bei Guadix wird im Sommer bis weit über Mitternacht hinaus Strom produzieren können, zu einer Zeit in der in Spanien allerorts die Klimaanlagen laufen und den Strom bereitwillig aufnehmen. Die Netzbetreiber werden unsere Kraftwerke lieben".

Photovoltaikanlagen würden in ihrer Leistung abfallen

Photovoltaikanlagen würden hingegen in ihrer Leistung sofort abfallen - dasselbe gilt für Windkraftwerke, denen ohne Wind ziemlich schnell die Puste ausgeht. Doch nicht nur die Sonne lockt immer mehr Investoren auf die Iberische Halbinsel. Auch staatliche Anreize sorgen dafür, dass sich der Bau von Solarkraftwerken auf dem spanischen Festland lohnt.

Durch sein neues Energieeinspeisegesetz liegt Spanien im europäischen Vergleich auf dem Weg zum Ökostrom ganz weit vorn: Strom aus solarthermischen Kraftwerken wird mit rund 27 Cent pro Kilowattstunde vergütet.

Damit trägt die spanische Regierung zur Umsetzung der Global Market Initiative for Concentrating Solar Power (GMICSP) bei, die 2004 auf der Internationalen Konferenz für erneuerbare Energien "Renewables" in Bonn verabschiedet wurde.

Sie ist Teil des weltweiten Aktionsplanes, der den Abbau von Hemmnissen für umweltfreundlichen Strom auf dem Elektrizitätsmarkt vorsieht. Bis 2015 sollen weltweit rund 5000 Megawatt solarthermischer Leistung durch den Bau von solarthermischen Kraftwerken realisiert werden. Das entspricht der Leistung von zehn durchschnittlichen Kohlekraftwerken.

Die Berge der Sierra Nevada glühen in der Mittagshitze. Wir laufen zum Hauptgebäude, in dem die deutschen Mitarbeiter ihre Arbeitsräume haben. "Vorsicht - konzentriertes Sonnenlicht" steht auf einem Schild neben dem Eingang. Einige Wissenschaftler verlassen ihr Büro, um im nahe gelegenen Tabernas, im Restaurante Las Eras, essen zu gehen. Dort werden sie ihre spanischen Kollegen treffen. Nach dem Essen beginnt in Spanien die Siesta. Dann halten alle Städte und Dörfer ihre Mittagsruhe, bis am späten Nachmittag das Leben wieder erwacht.

Auf der Plataforma ist das anders. Wer die Sonne nutzen will, darf sich nicht gerade jetzt von ihr abwenden. Auch die spanischen Kollegen haben sich daran gewöhnt. Erst am Ende des Arbeitstages werden alle die Wüste verlassen und nach Hause fahren. Ans Meer. Zu den Stränden. In die Abendsonne.

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