Solarthermie:Strom aus der Wüste

Solar-Kraftwerke in der Sahara könnten nicht nur Europas Energieproblem lösen, sondern auch Nordafrikas Armut bekämpfen, glauben deutsche Experten.

Christopher Schrader

Steine, Sand, Sonne - mit diesen drei Begriffen ist die Sahara ziemlich vollständig beschrieben. Zwischen Mauretanien und Ägypten bedeckt sie neun Millionen Quadratkilometer, die größte Wüste der Welt.

Solarthermie: Die Desertec-Mitglieder wollen sogenannte solarthermische Kraftwerke in die Wüste setzen.

Die Desertec-Mitglieder wollen sogenannte solarthermische Kraftwerke in die Wüste setzen.

(Foto: Foto: dpa)

Ausgerechnet in dieser lebensfeindlichen Region will Gerhard Knies das Leben Hunderter Millionen Menschen auf eine neue Basis stellen. Bürger von Irland und Israel sollen ebenso davon profitieren wie die Bewohner von Wüstenstaaten wie Algerien, indem der Wüste ein vierter Begriff hinzugefügt wird: "Solarstrom".

Gerhard Knies ist pensionierter Physiker, der sich seit Jahrzehnten für den Klimaschutz engagiert. Seit kurzem leitet er den Aufsichtsrat der neu gegründeten Stiftung Desertec, die sich am Dienstagabend in Berlin vorgestellt hat.

"Die Wüsten empfangen in sechs Stunden so viel Energie von der Sonne wie die Menschheit in einem Jahr verbraucht", sagt Knies. Sein Mitstreiter Max Schön, Präsident der deutschen Gesellschaft des Club of Rome, ergänzt: "Wir können so mehrere Probleme gleichzeitig lösen: Umweltschutz, Wassermangel und den Drang der Nordafrikaner zur Migration."

Die technischen Komponenten gibt es bereits

Knies und seine Kollegen haben sich viel vorgenommen. Sie wollen einen Teil dieser Welt ins solare Zeitalter überführen. Ein Stromverbund soll entstehen, der Europa, den Nahen Osten und Nordafrika umfasst.

In der Sahara, aber auch auf der arabischen Halbinsel sollen Kraftwerke entstehen, die Sonnenlicht in Strom verwandeln. "Dort kann man im Jahr mehr als 2000 Kilowattstunden pro Quadratmeter gewinnen", rechnet Markus Eck vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR vor: "als würden pro Quadratmeter 200 Liter Öl im Jahr vom Himmel regnen."

Die Elektrizität soll zum einen den Staaten Nordafrikas Energie liefern, ihre Wirtschaft stützen und die Armut besiegen sowie nebenbei Meerwasser entsalzen und den chronischen Wassermangel der Region bekämpfen. Zum anderen soll der Strom über verlustarme Leitungen nach Europa fließen und dort die klimaschädlichen konventionellen Kraftwerke ersetzen.

Die technischen Komponenten eines solchen Netzes gibt es bereits. Die Desertec-Mitglieder wollen sogenannte solarthermische Kraftwerke in die Wüste setzen. Diese bündeln das Sonnenlicht mit großen Spiegeln und erhitzen dadurch zum Beispiel Spezialöl.

Die Wärme wird dem Öl dann in einer Turbine entzogen, die einen Generator antreibt. "Der hintere Teil ist konventionelle Kraftwerkstechnik", sagte Eck, der solche Anlagen beim DLR untersucht und entwickelt hat. "Nur die Wärmezufuhr ändert sich."

Wie kommt der Strom zum Kunden?

Das Design von solarthermischen Kraftwerken erscheine umständlich, räumte der Ingenieur ein, besonders im Vergleich zu Photovoltaik-Anlagen, die Sonnenlicht direkt in Strom verwandeln. "Aber der Umweg über die Wärme eröffnet viele Chancen." Wärme ist nämlich viel einfacher zu speichern als Strom. In einer Anlage in Andalusien, die zurzeit in Betrieb genommen wird, fließt tagsüber ungenutzte Wärme in einen Tank mit flüssigem Salz.

Solarthermie: Die Kraft der Sonne

Die Kraft der Sonne

(Foto: SZ-Graphik: Kapitany, Quelle: Desertec)

Dort lässt sich die Energie mit minimalen Verlusten abrufen, um noch in den Nachtstunden Strom zu produzieren. Ebenso kann die Anlage kurze Wolkenperioden überbrücken. Das Kraftwerk wird daher für Stromkunden viel zuverlässiger. In Kalifornien produzieren solche Anlagen seit fast 25 Jahren Strom, in Algerien und Ägypten werden zurzeit neue gebaut.

Um den elektrischen Strom nach Europa zu transportieren, bieten sich Gleichstromkabel mit hoher Spannung an. Sie funktionieren anders als die üblichen Drehstromleitungen innerhalb Europas und haben auf langen Strecken weit weniger Verluste. Nur sieben Prozent der Energie gingen auf einer Strecke von 2000 Kilometern verloren, sagte in Berlin Jochen Kreusel vom Elektrokonzern ABB. Seine Firma hat mit einer solchen Leitung Wasserkraftwerke in Westchina mit der Metropole Shanghai verbunden.

"Es gibt noch nichts von der Stange"

Diese Distanz entspricht der Entfernung von Algier nach Hamburg. Für das Desertec-Konzept wären sogar kürzere Leitungen ausreichend, die das Mittelmeer überspannen und Strom in das europäische Netz einspeisen: über die Meerenge von Gibraltar, von Tunis über Sardinien und Korsika nach Marseille, von Libyen nach Griechenland oder durch Israel. "Wir haben solche Leitungen gebaut", sagte Kreusel. Die Technik stehe zur Verfügung, auch wenn noch Probleme zu lösen sind. "Es gibt noch nichts von der Stange."

Probleme könnte der Desertec-Idee vor allem ihr enormer Anspruch bereiten. Auch wenn die Fläche, die theoretisch nötig ist, um den Strombedarf der Welt zu decken, auf Atlanten klein wirkt (siehe Grafik), sind gewaltige Investitionen nötig. Eine Fläche von 360 mal 360 Kilometer würde genügen, um die Welt mit Strom zu versorgen. Aber dort wären in den kommenden 30 Jahren solarthermische Kraftwerke mit einer Nennleistung von 10.000 Gigawatt nötig.

Wunsch nach öffentlicher Finanzierung

Im Mittel müssten jeden Tag Anlagen ans Netz gehen, die so viel Strom erzeugen wie ein großes Atomkraftwerk. Zurzeit schaffen die Firmen, die die nötige Ausrüstung produzieren, so viel Kapazität in einem Jahr. Zur Finanzierung schwebt Knies ein Fonds vor, den die Industrieländer mit 20Milliarden Euro pro Jahr füllen - acht davon aus Europa. Hinzu kämen nach Zahlen des DLR 45 Milliarden Euro für 20 neue Leitungen zwischen Nordafrika und Europa.

Allerdings geht es wohl auch eine Nummer kleiner. Desertec selbst nimmt an, dass der Strom aus der Wüste im Jahr 2050 ein Sechstel des Bedarfs in Europa deckt; einen größeren Anteil sollen heimische erneuerbare Quellen wie Windenergie und Wasserkraft liefern. Diese Zahlen entkräften die Befürchtung mancher Kritiker, Europa könne sich mit dem Wüstenstrom in eine neue Abhängigkeit begeben, diesmal in die von Sonnenstrom-Scheichs der Sahara.

Geringerer Treibhausgasausstoß

Doch die importierte Solarenergie könnte helfen, den Treibhausgasausstoß in Europa um 80 Prozent zu senken. Bis dahin muss sich aber politisch noch einiges tun. Zwar lobte in Berlin der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Günter Gloser (SPD), das Desertec-Konzept als "idealtypisches Ziel der deutschen Außenpolitik".

Aber die im Sommer 2008 gegründete Union für das Mittelmeer sei zurzeit nicht handlungsfähig, alle Treffen seien suspendiert. Die Investionssicherheit, die in Berlin Gudrun Kopp, die energiepolitische Sprecherin der FDP, forderte, ist von dieser Organisation vorerst nicht zu erwarten.

Immerhin hat die EU schon zugestimmt, dass sich Mitgliedsstaaten Ökostrom aus Nordafrika auf die Ziele zum Ausbau regenerativer Energien anrechnen dürfen, erklärte auf der Desertec-Veranstaltung Hans Josef Fell, der in der Grünen-Bundestagsfraktion Energiethemen betreut.

Er schlug zudem vor, Deutschland solle im Alleingang beginnen, Solarstrom aus der Sahara mit einer Einspeisevergütung abzunehmen, so wie auch heimische Windenergie bezuschusst wird. Damit werde ein Anreiz geschaffen, in Nordafrika in solarthermische Anlagen zu investieren.

Die Desertec-Stiftung selbst wünscht sich ein öffentlich finanziertes Pilotprojekt. Aus humanitären Gründen solle es in Ägypten stehen und den Gazastreifen versorgen - und womöglich den Konflikt der Palästinenser mit Israel mindern.

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