Solarfolien:Kraftwerk im Rucksack

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Sie sind extrem leicht, flexibel und lassen sich in vielerlei Farben wie auch völlig transparent produzieren: Solarfolien erzeugen dort Strom, wo normale Module zu sperrig sind.

Ralph Diermann

Noch vor vier Jahren produzierte der mittlerweile insolvente Sofortbild-Pionier Polaroid in seinem Werk in Massachusetts Instant-Filme. Heute stellt der Photovoltaikhersteller Konarka dort Solarzellen her - auf den alten Polaroid-Maschinen. Denn das Fotomaterial und die Zellen haben eines gemeinsam: Sie werden gefertigt, indem Moleküle in einer Art Druckverfahren auf eine Plastikfolie aufgetragen werden. Mit den starren, aus Siliziumkristallen geformten Solarzellen auf vielen deutschen Hausdächern und Ackerflächen hat das nicht mehr viel gemein.

Bei der so genannten organischen Photovoltaik ersetzen elektrisch leitfähige Kohlenstoffverbindungen - also Kunststoffe - die Silizium-Halbleiter, die in herkömmlichen Modulen Strom erzeugen. Besonderen Charme hat die Technologie durch das Trägermaterial. Denn die Solarfolien sind extrem leicht, flexibel und lassen sich in vielerlei Farben wie auch völlig transparent produzieren.

Das eröffnet der Photovoltaik ganz neue Einsatzfelder: Sonnenschirme oder Zeltbahnen können genauso zum Mini-Kraftwerk werden wie Autokarosserien, Kleidungsstücke oder Fensterscheiben. "Es ist möglich, auf Flächen Strom zu gewinnen, die nicht mit den üblichen starren Solarzellen belegt werden können", sagt Konstantinos Fostiropoulos, Leiter der Arbeitsgruppe Organische Solarzellen am Helmholtz-Zentrum Berlin.

Nach vielen Jahren Forschungsarbeit gibt es jetzt erste Produkte mit der neuen Technologie zu kaufen: Rucksäcke und Taschen, die Energie für das Laden eines Handys liefern. Als nächstes sollen Bauteile wie Fenster oder Fassadenelemente in den Handel kommen, die mit der stromerzeugenden Folie ausgerüstet sind. Unternehmen wie Thyssen-Krupp oder Bischoff Glastechnik arbeiten zurzeit daran. Auch die Autohersteller haben die Plastik-Photovoltaik entdeckt. Daimler zum Beispiel hat jüngst auf der Internationalen Automobilausstellung einen Elektro-Smart vorgestellt, dessen Dach mit einer Solarfolie von BASF überzogen ist.

Allerdings ist der Wirkungsgrad der Zellen noch sehr gering. Der Rekordwert liegt momentan bei 8,3 Prozent, erzielt im Labor des Dresdener Unternehmens Heliatek. In der Serienfertigung kommen die Zellen momentan aber nur auf eine Energieausbeute von zwei bis drei Prozent. Handelsübliche kristalline Module dagegen verwandeln bis zu 18 Prozent der Sonnenenergie in Strom. Fostiropoulos sieht bei der organischen Photovoltaik jedoch noch viel Spielraum für Effizienzsteigerungen. Es gebe keinen physikalischen Hinderungsgrund, den Wirkungsgrad eines Tages auf bis zu zwölf Prozent zu steigern.

Zudem ist die Plastik-Photovoltaik mit Preisen von bis zu zehn Euro pro Watt noch sehr teuer - das ist je nach Herkunft und Art der Solarzellen das Sieben- bis Zwölffache der Installationskosten. Der Unterschied liegt vor allem an den geringen Mengen, die produziert werden. Mit der Massenfertigung können die Solarfolien aber auf lange Sicht günstiger werden als herkömmliche Module, erwartet Heliatek-Sprecherin Steffanie Rohr. "Die Rohstoffe, die wir benötigen, sind sehr gut verfügbar. Das heißt: Steigt die Nachfrage, sinkt der Preis", sagt Rohr.

Neben Wirkungsgrad und Kosten müssen die Hersteller aber noch ein drittes Problem in den Griff bekommen: die Haltbarkeit der Kunststoffzellen. Die Leistung der Solarfolien lässt schon nach wenigen Jahren stark nach. Das liegt unter anderem daran, dass sie sehr empfindlich gegenüber Feuchtigkeit und Sauerstoff sind. "Wenn die Solarfolien hermetisch in Glas eingeschlossen sind, ist das kein Problem. Ohne diese Verkapselung tritt jedoch eine Degradation auf. Daran arbeiten wir und auch die Folienhersteller derzeit mit Hochdruck", erklärt Rohr. Für manche Anwendungen genügt allerdings eine kurze Lebensdauer völlig, sagt der Berliner Forscher Fostiropoulos: "Wenn die Solarzellen etwa in Handys integriert werden, reicht es schon aus, wenn die Hersteller garantieren können, dass sie für drei oder vier Jahre Strom liefern." Dann ist für die meisten Verbraucher sowieso ein neues Modell fällig.

© SZ vom 05.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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