Solarenergie:Warum Solarzellen von Rekord zu Rekord eilen
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Von Andrea Hoferichter
Während im Sport neue Höchstleistungen oft nur mit verbotenen Substanzen zu erreichen sind, jagt in der Solarforschung ein Weltrekord den nächsten, und das ganz legal. Zu verdanken ist das vor allem einem speziellen Salztyp namens Perowskit. Die Salzkristalle, die etwa Kohlenstoff, Stickstoff, Jod und Blei enthalten, können wie Silizium Sonnenlicht in Strom verwandeln, schlucken aber anders als der Solarzellenklassiker selbst in hauchdünnen Schichten noch viel Licht. Und während Silizium vor allem im eher energiearmen roten und infraroten Wellenlängenbereich des Sonnenspektrums optimal arbeitet, verwerten Perowskite auch energiereicheres grünes und blaues Licht.
Zusammen ergeben die beiden Materialien ein perfektes Paar, glauben viele Wissenschaftler, und kombinieren sie zu sogenannten Tandemzellen. Auf einer Konferenz in Hawaii Anfang Juni etwa präsentierten Forscher der Oxford University und des Helmholtz-Zentrums Berlin gleich drei solcher Solarzellen mit Rekordwirkungsgraden über 25 Prozent.
Etwa zu der Zeut erschien ein Artikel im Fachblatt Nature Materials, in dem Forscher der Polytechnischen Hochschule in Lausanne eine ähnlich effiziente Zelle vorstellten. Nur wenige Tage später erhöhte das Jungunternehmen Oxford PV auf 27,3 Prozent. Selbst die 30-Prozent-Marke gilt als überwindbar. Dann wäre auch das theoretisch erreichbare Maximum reiner Siliziumzellen von rund 29 Prozent geknackt. Deren aktueller Weltrekord liegt bei gut 26 Prozent.
Auch bei reinen Perowskit-Solarzellen ist die Entwicklung rasant. Seit der Japaner Tsutomu Miysaka 2009 das erste Exemplar präsentierte, stieg der Wirkungsgrad in nicht einmal zehn Jahren von knapp vier auf mehr als 20 Prozent. Eine Steigerung, die bei Silizium-Solarzellen rund ein Vierteljahrhundert dauerte.
"Das liegt vor allem an den Salzeigenschaften der Perowskite", sagt Andreas Hinsch vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Wie alle Salze bestehen sie aus elektrisch positiv und negativ geladenen Teilchen und diese sogenannten Ionen helfen beim Transport der solar erzeugten Ladungsträger. Ein weiterer Vorteil ist, dass man die Perowskitstruktur mit ganz verschiedenen Atomsorten besetzen und so die Eigenschaften des Materials variieren kann. "Das gibt einem viele Freiheiten und auch die Möglichkeit, verschiedene Perowskite miteinander zu kombinieren. Es macht die Angelegenheit aber auch sehr komplex", berichtet Hinsch. Die Forschung dazu stehe noch ganz am Anfang.
Moderne Module sind fast so einfach herzustellen wie Glasscheiben
Die ISE-Forscher setzen vor allem auf reine Perowskit-Solarzellen und eine neue Art der Fertigung, wie sie auch kürzlich in den Fachblättern Nature Scientific Reports und ACS Energy Letters berichteten. "Wir wollen die Produktionskette umkehren und dadurch teure Zwischenschritte einsparen", erklärt Hinsch.
Üblicherweise werden im Labor zunächst reißzweckenkleine Zellen entwickelt und getestet und dann auf Postkartenformat vergrößert, was klappen kann, aber nicht muss. Im Erfolgsfall werden die Zellen zu Modulen verschaltet und schließlich in Glas gekapselt.
Die Wissenschaftler um Hinsch hingegen starten mit einer modulgroßen Glasplatte, die mit einer durchsichtigen, elektrisch leitfähigen Substanz beschichtet ist, und drucken ein Streifenmuster aus Elektroden darauf: aus porösem Grafit, der auch in Bleistiftminen steckt, und Titandioxid, das als Weißmacher in Zahnpasta und Wandfarbe enthalten ist. Sie versiegeln das Ganze mit einer zweiten Glasplatte und füllen verflüssigten Perowskit ein, der im Modul wieder zu festen Kristallen wird. "Man braucht weniger als einen Milliliter Perowskit pro Quadratmeter Modul. Das spart Ressourcen", betont Hinsch.
Die gedruckten Zellen, die sich aus dem Streifenmuster ergeben, haben Wirkungsgrade von 12,6 Prozent. Das ist Hinsch zufolge ein Rekordwert für gedruckte Solarzellen und zudem auf über 20 Prozent steigerbar. Das Ziel seien Solarmodule, die mehr Leistung bringen als Siliziumfotovoltaik, aber nicht teurer sind. "Außerdem braucht man für die Produktion kein Hightech", sagt der Forscher. Die Module könnten auch bei kleineren Glasherstellern oder in glasverarbeitenden Betrieben entstehen. Das bedeute zudem kürzere Transportwege, weniger Kosten und Treibhausgasemissionen.
Unabhängig vom Konzept, wird es wohl noch Jahre dauern, bis erste Perowskit-Solarzellen auf Hausdächern zu sehen sind. Die Salze vertragen keine Feuchtigkeit und im Zusammenspiel mit Licht auch keinen Sauerstoff. Solarforscher weltweit feilen deshalb an der perfekten Verkapselung, und sie testen Ersatzstoffe für das Schwermetall Blei, das zurzeit für hohe Wirkungsgrade unverzichtbar ist. "Zinn ist eine mögliche Alternative, aber auch Titan", sagt Hinsch. Letzteres würde sich, zumindest vom Namen her, für eine neue Weltrekordmeldung wohl am besten eignen.