Silizium:Forscher wollen Waschmittel aus Sand herstellen

Sand steckt als Silizium schon in Computerchips. Jetzt könnten die Körner auch helfen, Wäsche zu säubern. Forscher wollen daraus Tenside machen - das käme auch der Umwelt zugute.

Von Andrea Hoferichter

Dass sein Labor die Geburtsstätte eines neuen Ökoprodukts sein könnte, eines Konsumguts für die Drogerieregale im Supermarkt, hätte Rudolf Pietschnig nicht gedacht. Der Chemiker von der Universität Kassel ist Grundlagenforscher und sein Spezialgebiet Silizium. "Wir haben ein strukturell interessantes Zwischenprodukt der Silikonherstellung untersucht und eher nebenbei festgestellt, dass es sich als Tensid eignen könnte", sagt er. Es könnte also als Grundstoff für Waschmittel oder Druckertinte dienen. Diese Substanzen werden oft aus Erdöl herstellt, Pietschnigs Verbindungen dagegen letztlich aus Sand.

Mittlerweile haben die Forscher ein ganzes Sortiment verschieden stark wirkender Varianten hergestellt, die auch gute Umwelteigenschaften aufweisen. Davon berichteten sie und Wissenschaftler der Universität in Graz kürzlich im Fachblatt Chemistry. Die Tenside aus Silantriolen - das sind Verbindungen aus Silizium, Sauerstoff und Wasserstoff, verknüpft mit Kohlenwasserstoffketten - seien leicht abbaubar, die Abbauprodukte harmlos und die Rohstoffe in Unmengen verfügbar.

Tenside sorgen in Waschmitteln und Seifen dafür, dass sich fettiger Dreck und Wasser mischen - die Grundvoraussetzung für jeden Reinigungsprozess. Jedes Tensid-Molekül hat ein wasser- und ein fettlösliches Ende und wirkt deshalb wie ein Adapter zwischen Wasser- und Fettteilchen, die sonst nicht recht zusammenpassen. Das zeigt sich schon beim Mischen von Salatsoßen. Lässt man sie eine Weile stehen, trennen sich Öl und wässrige Bestandteile wie Essig schnell wieder. Wo sich das nicht durch einfaches Rühren oder Schütteln beheben lässt, werden oft Tenside zugegeben. Sie stecken auch in Bau-Chemikalien und kommen bei der Fertigung von Elektronikbauteilen zum Einsatz.

Womöglich lassen sich die neuen Substanzen auch als Wasserenthärter nutzen

Hergestellt werden Tenside in der Regel aus Erdöl oder aus Biorohstoffen wie Pflanzenölen oder Zucker. Das siliziumbasierte Tensid dagegen lässt sich in mehreren Schritten aus Siliziumdioxid produzieren, also aus Quarzsand. "Wir haben hier allerdings keinen Sandhaufen im Labor. Den Schritt vom Sand zu unseren Ausgangssubstanzen übernehmen die Chemiekonzerne", sagt Pietschnig. Ein zweiter Vorteil sei die biologische Abbaubarkeit. "Unsere Tenside zersetzen sich letztlich zu Sand, Kohlendioxid und Wasser", sagt er. Die Forscher prüfen zudem gerade, wie gut die neuen Tenside Kalzium binden und damit als Wasserenthärter wirken können. Im Erfolgsfall könnten sie damit sogar schwer abbaubare Phosphonate und Phosphate ersetzen, die in Kläranlagen aufwendig und teuer entfernt werden müssen.

Phosphate sind in der Landwirtschaft ein wichtiger Dünger, im Wasser jedoch fördern sie den Algenwuchs und können ganze Gewässer zum Umkippen bringen. In Waschmitteln sind Phosphate deshalb seit gut einem Jahr EU-weit tabu, in Tabs und Pulvern für Geschirrspülmaschinen erst von 2017 an. "Trotzdem ist die Phosphatbelastung europäischer Gewässer noch immer ein ungelöstes Problem", sagt Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg. Nicht alle Kläranlagen arbeiten gleich effizient und manche Abwässer gelangen sogar direkt in die Umwelt, zum Beispiel aus Kanälen bei starken Regenfällen. "Umweltfreundlichere Alternativen sind deshalb sehr wünschenswert", erklärt Borchardt.

Pietschnig jedenfalls berichtet von großem Interesse für seine Tenside, aus unterschiedlichen Branchen und aus dem In- wie Ausland. "Wir müssen die Anfragen erst sichten und sehen, mit wem Zusammenarbeit sinnvoll ist", sagt er. In jedem Fall soll auch die Grundlagenforschung profitieren.

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