Sicherheit bei Ölbohrplattformen:"Im Grenzbereich des Machbaren"

Anlagen wie die explodierte Deepwater Horizon verfügen über extreme Sicherheitsvorkehrungen. Doch die Risiken nehmen mit der Bohrtiefe zu.

Markus C. Schulte von Drach

Noch immer weiß niemand, wieso es zu der Katastrophe auf der Bohrinsel Deepwater Horizon gekommen ist. Aber eines ist klar: Die Sicherheitsvorkehrungen, die das Austreten von Öl am Meeresboden verhindern sollten, haben versagt.

Deepwater Horizon Ölteppich Golf von Mexiko Öl Ölbohrung Ölbohrplattform AP

Ein unbemanntes U-Boot versucht vergeblich, den

Blowout Preventer

zu schließen - eine Art Hahn, mit dem sich der Ölfluss blockieren lässt.

(Foto: Foto: AP/US Coast Guard)

Warum, bleibt vielleicht für immer ein Rätsel. Die Bohrplattform ist zerstört und gesunken, jene Mitglieder der Besatzung, die die Antwort kennen könnten, sind tot.

War es menschliches Versagen? Schließlich gestehen selbst Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace zu, dass auf den Anlagen zur Ölgewinnung aus dem Meeresboden generell die allerhöchsten Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.

Aber sie sind eben nicht hoch genug, wie das Beispiel der Deepwater Horizon eindringlich vor Augen führt.

Ölplattformen verfügen über einen sogenannten Blowout Preventer, eine Schutzvorrichtung an der Bohrstelle, die bei plötzlich auftretendem Überdruck einen Öl- oder Gasausbruch verhindern soll.

Bei der Katastrophe im Golf von Mexiko hat sich dieser riesige Hahn in der Ölleitung nicht geschlossen. Normalerweise geschieht dies über einen Hauptschalter an Bord der Plattform.

Funktioniert dieser Schalter nicht, sollte ein automatisches Sicherheitssystem, der sogenannte Totmann-Schalter, diese Aufgabe übernehmen. Darüber hinaus werden unbemannte U-Boote bereitgehalten, um das Ausstreten des Öls zu stoppen. Auf den meisten Bohrinseln soll dies ausreichen.

Aber wie die Deepwater Horizon gezeigt hat, funktioniert es eben nicht immer. Dabei galt die Plattform als eine der modernsten Tiefseebohrinseln der Welt.

Es gibt allerdings ein weiteres System, das den Hahn am Meeresboden über akustische Signale kontrolliert, die sogar von einem Rettungsboot aus gesendet werden können. Aber: Über diesen akustischen Schalter verfügen nur wenige Ölplattformen.

Manche Experten vermuten nun, dass ein solcher Schalter die Umweltkatastrophe möglicherweise hätte verhindern können, berichtet das Wall Street Journal. Warum also ist das System noch kein Standard an Bord der Plattformen?

Vom britischen Energieriesen BP, für den die Ölplattform der Schweizer Transocean Öl förderte, war bislang kein Kommentar dazu zu bekommen.

Bohrinseln vor Norwegen und Brasilien sind mit dem Schalter ausgestattet, so berichtet das Wall Street Journal. Und einige Unternehmen wie Royal Dutch Shell PLC und Total SA verwenden das System auf einigen Plattformen sogar dort, wo sie nicht vorgeschrieben sind. In den USA dagegen gilt es noch als unzuverlässig und als mögliche Ursache für vorschnelle Unterbrechung der Ölleitung.

"Ein dreifaches Sicherheitssystem ist besser als ein zweifaches", sagt Christian Bussau von Greenpeace. Aber eine absolute Sicherheit gibt es natürlich trotzdem nicht. "Diese Ölplattformen sind Milliardenprojekte mit riesigem Sicherheitsaufwand. Aber die Technik ist inzwischen so komplex, dass trotz aller Bemühungen immer das Risiko von technischem und menschlichem Versagen besteht."

Hightech hier - Eimer und Schaufel dort

Die Unternehmen, so Bussau, arbeiten bereits im Grenzbereich des Machbaren, ähnlich wie die Weltraumtechnik. Nachdem die Erdölvorkommen in flacheren Gewässern wie der Nordsee fast ausgeschöpft sind, dringen die Unternehmen nun in immer größere Tiefen vor - und gehen damit immer größere Risiken ein.

Dabei "treten trotz aller Sicherheitsstandards allein in der Nordsee schon im alltäglichen Betrieb jedes Jahr 10.000 Tonnen Öl aus", erklärt der Meeresbiologe.

Während riesige Summen in Hightech-Systeme zur Ölförderung und ihrer Sicherheit gesteckt werden, so kritisiert sein Kollege Jörg Feddern, stehen an der Küste des US-Bundesstaats Louisiana jetzt die Leute mit Eimer und Schaufel bereit, um das erwartete Öl zu bekämpfen.

Die Umweltschützer fordern, das Geld statt in die immer aufwendigere, teurere und gefährlichere Ölförderung zu stecken, in erneuerbare Energien zu investieren.

Der Wert der Deepwater Horizon liegt bei etwa 600 Millionen Dollar. Und der Kampf gegen die Ölpest kostet das Unternehmen BP sechs weitere Millionen Dollar - täglich. Wie groß der Schaden sein wird, den das Öl im Meer und an der Küste Louisianas anrichten wird, lässt sich kaum abschätzen.

Erst kürzlich hatte US-Präsident Barack Obama sich dafür ausgesprochen, die Beschränkungen für die Ölförderung in den Küstengewässern zu lockern. Auch an der Atlantikküste vor den Stränden Virginias soll bald nach Öl gebohrt werden. Obama kam damit der Ölindustrie entgegen, die argumentiert, gerade aufgrund verbesserter Technologie ließe sich das Öl aus immer größeren Meerestiefen gewinnen.

Das damit einhergehende Risiko für Menschen und Umwelt - darauf deutet die Katastrophe der Deepwater Horizon - lässt sich offenbar kaum kalkulieren.

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