Tief drückt ein 300 Kilogramm schwerer Amur-Tiger seine Tatzen in den Schlamm im Fernen Osten Russlands. Hier, neun Flugstunden von Moskau entfernt, leben die letzten etwa 450 Exemplare der größten Raubkatze der Erde. "Er wird wiederkommen", sagt Sergej Aramilew, als er 24 Stunden später den acht Zentimeter langen Abdruck untersucht. Der Wildhüter befestigt eine Infrarotkamera mit Bewegungsmelder an einen nahen Baum.
Der Sibirische oder Amur-Tiger ist die größte Raubkatze der Welt. Seine Heimat ist die Amur-Region im Fernen Osten Russlands.
(Foto: dpa)"Amur-Tiger halten sich oft lebenslang im selben Gebiet auf", erklärt der 27-Jährige. "Nächstes Mal haben wir sein Foto." Die Dokumentation ist wichtig: Wildhüter lernen so mehr über das Tierverhalten und können sie besser schützen.
"Vor 100 Jahren gab es weltweit 100.000 freilebende Tiger, heute sind es international nur 3200", klagt Wladimir Krewer von der Umweltorganisation World Wide Fund for Nature (WWF). Von einst neun Unterarten existieren lediglich noch sechs, darunter der Amur-Tiger (Panthera tigris altaica), der auch Sibirischer Tiger genannt wird. Anfang 2010, zu Beginn des chinesischen "Jahr des Tigers", starteten Tierschützer in vielen Ländern eine Offensive zur Rettung der Spezies.
Der oft als "Herrscher der Taiga" bezeichneten Großkatze setzen vor allem die illegale Abholzung seiner Heimatwälder und skrupellose Wilderer zu. Wortwörtlich den Startschuss zur Rettung gab Regierungschef Wladimir Putin. Mit einem Betäubungsgewehr narkotisierte er vor zwei Jahren werbewirksam vor laufenden Kameras einen Amur-Tiger, damit Ärzte das Tier untersuchen konnten. "Putins demonstrativer Einsatz hat uns geholfen", räumt Wildhüter und Biologe Aramilew ein.
Ende November soll auf einem von Putin initiierten internationalen "Tigergipfel" in St. Petersburg ein politischer Rahmen zur Rettung des Sibirischen Tigers vereinbart werden. Ein Beschlussentwurf sieht vor, dass die 13 Länder, in denen heute noch die Großkatzen frei leben, die Zahl der Tiger bis zum nächsten "Jahr des Tigers" 2022 verdoppeln wollen. Wildern soll verfolgt, Schmuggeln geächtet und die Kontrolle ausgeweitet werden.
"Der Tiger braucht ein besseres Forstmanagement und härtere Strafen für Wilderer", sagt der deutsche WWF-Experte für den Fernen Osten, Frank Mörschel. "Am Ende des Gipfels müssen konkrete, finanziell abgesicherte Schritte stehen." Zoll-Offizier Sergej Ljapustin kann ein trauriges Lied vom alltäglichen Kampf gegen das Aussterben der Tiger singen. Schnaufend öffnet der grauhaarige frühere Seemann in der Asservatenkammer der Hafenstadt Wladiwostok eine Schranktür.