Serie: Mythen von Monstern (9):Lebende Flugsaurier

In Afrika, auf Papua-Neuguinea und selbst in Texas sollen fliegende Reptilien aus der Urzeit überlebt haben. Insbesondere Gegner der Evolutionstheorie finden das interessant.

Markus C. Schulte von Drach

Nur wenige Sekunden hatte der Pilot Zeit, um der großen Kreatur, die im Juni 2008 seine Flugbahn im Südosten der indonesischen Insel Bali kreuzte, auszuweichen. Doch um was für ein Tier handelte es sich? Ein Pelikan war es nicht. Eher erinnerte es an einen Flugsaurier.

Serie: Mythen von Monstern (9): Ein Pteranodon, dargestellt von  Heinrich Harder 1916. Fliegen solche Tiere über den Sümpfen Afrikas?

Ein Pteranodon, dargestellt von Heinrich Harder 1916. Fliegen solche Tiere über den Sümpfen Afrikas?

(Foto: Grafik: oh)

Glücklich gelandet, suchten Pilot und Kopilot im Internet nach einer Erklärung. Und stießen auf Informationen über den sogenannten Ropen, ein fliegendes Reptil auf Papua-Neuguinea. War das die Erklärung?

Tatsächlich glauben manche Menschen, dass neben Dinosauriern und Meeresreptilien aus der Urzeit auch Flugsaurier das große Sterben vor 65 Millionen Jahren überlebt haben. Bekannt sind diese mysteriösen Tiere vor allem durch Berichte aus Afrika, wo sie Kongamato oder Olitiau genannt werden. Doch auch in den USA, insbesondere in Texas, Kalifornien und Wyoming, sind sie immer wieder aufgetaucht.

Weitere Länder und Regionen, wo die Tiere gesichtet wurden, sind Madagaskar, Neuseeland, Brasilien, Argentinien, Vietnam und auch auf Kreta. Besonders viel Aufsehen erregte in den vergangen Jahren der sogenannte Ropen auf Papua-Neuguinea.

Abgesehen von Schreckensgeschichten in den Medien, die nach der Entdeckung der ersten Flugsaurier-Fossilien auftauchten, berichtete erstmals 1923 der Brite Frank Hulme Melland vom Kongamato. In seinem Buch "In witch-bound Africa" fasste Melland Legenden der Kaonde zusammen, einem Stamm im heutigen Sambia (ehemals Nordrhodesien).

Im Dschungel des Grenzgebiets von Sambia, Angola und der Demokratischen Republik Kongo sollte dieser "Überwältiger der Boote" leben. Die Kaonde beschrieben die Wesen als große Flugtiere mit Flügeln aus Haut statt Federn und Zähnen im Schnabel. Als Melland ihnen Bilder verschiedener Tiere zeigte, identifizierten sie das Ungeheuer, das angeblich Kanus angriff, als Pterodactylus, einen eigentlich ausgestorbenen Flugsaurier.

Zwei Jahre später begleitete der Auslandskorrespondent der Daily Mail, George Ward Price, den britischen Thronfolger und späteren König Edward VIII. auf einer Reise durch Afrika. In Südrhodesien hörte Price von Angriffen des Kongamato auf Einheimische.

Es folgten einige weitere Berichte von Sichtungen auch in Angola, Tansania, Simbabwe, Namibia und Kenia. Was die Berichte der Kryptozoologen etwas schwer nachzuvollziehen macht, ist allerdings, dass die immer und immer wieder erwähnten Jiundu-Sümpfe als Revier des Kongamato erwähnt werden. Jiundu-Sümpfe sind allerdings auf Karten von Sambia nicht zu finden. Vermutlich ist die Region im Länderdreieck Sambia, Angola und Kongo in der Nähe der sambischen Stadt Jivundu gemeint.

Lebende Flugsaurier

Einer der wichtigsten Berichte war der des Schotten Ivan T. Sanderson aus dem Jahre 1932. Sanderson führte die Percy-Sladen-Expedition der Royal Society of London und des British Museum nach Kamerun. Bei der Überquerung eines Flusses in den Assumbo-Bergen wurden Sanderson und und sein Kollege Gerald Russell von einem großen Flugtier erschreckt.

Serie: Mythen von Monstern (9): So etwa könnte ein Rhamphorhynchus ausgesehen haben. Leben solche Tiere noch auf Papua-Neuguinea?

So etwa könnte ein Rhamphorhynchus ausgesehen haben. Leben solche Tiere noch auf Papua-Neuguinea?

(Foto: Grafik: oh)

"Ich schrie und ließ mich sofort ins Wasser fallen, denn direkt auf mich zu, wenige Fuß über der Wasseroberfläche, flog ein schwarzes Etwas von der Größe eines Adlers", berichtete Sanderson. "Ich konnte nur einen kurzen Blick auf das Gesicht werfen, doch das reichte mir, denn der Unterkiefer mit einem Halbkreis aus Zähnen hing herunter (...) Als ich wieder auftauchte, war es weg (...) Und kurz bevor es dunkel wurde, kam es wieder, sauste mit klappernden Zähnen zum Fluss herab, während es mit schwarzen, Dracula-ähnlichen Flügeln zischend die Luft zerteilte."

Die Einheimischen kannten die Wesen unter dem Namen Olitiau. Später gründete Sanderson die Society for the Investigation of the Unexplained. Seit der Begegnung mit dem Olitiau gilt er als einer der wichtigsten Zeugen für lebende Saurier.

Auch Roy Mackal, ein Biologe und von der University of Chicago entlassener Professor, mischte bei der Suche nach dem mysteriösen Flieger mit. Mackal, bekannt für seine Versuche, Nessie und den Kongo-Dinosaurier Mokèlé-mbèmbé aufzuspüren, unternahm 1988 eine Tour nach Namibia. Er fand keine fliegenden Reptilien. Immerhin erklärte ein anderer Expeditionsteilnehmer, er hätte in der Ferne ein riesige, schwarze, fliegende Kreatur gesehen.

Bereits 1944 beobachtete der US-Amerikaner Duane Hodgkinson an der Nordostküste des heutigen Papua-Neuguinea, nahe der Stadt Finschhafen, ein Tier, dass ihn an einen Flugsaurier mit einer Flügelspannweite von bis zu sieben Metern erinnerte. Die Einwohner der nördlich von Finschhafen gelegenen Insel Umboi bezeichneten das Tier angeblich als "Ropen". Es soll ein nachtaktives Tier mit langem Hals sein und beim Flug über dem Meer oder den Korallenriffen vor der Küste im Dunkeln leuchten.

Hoffnungsvolle Kreationisten

Eine Reihe von amerikanischen Kreationisten, die sich in der Hoffnung, die Evolutionstheorie widerlegen zu können, nach Papua-Neuguinea aufgemacht hatten, konnten nachts lediglich für kurze Zeit und in großer Entfernung Lichter sehen, die angeblich auf die Biolumineszenz des Ropen zurückgingen.

Einige dieser Laien-Forscher ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund sind aufgrund der Berichte der Einheimischen überzeugt, es handle sich bei den Tieren um Vertreter der Rhamphorhynchoiden (Langschwanzflugsaurier) - dabei handelt es sich um eher kleine Flugsaurier. Bezüglich der Art gehen die Meinungen der Kreationisten allerdings auseinander.

Könnte es also tatsächlich sein, dass Flugsaurier mit dem Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren nicht ausgestorben sind?

Lebende Flugsaurier

Betrachtet man die Hinweise auf Komagato, Olitiau und Ropen genau, so ist Skepsis mehr als angebracht. Dass etwa Ivan Sanderson häufig als wichtigster Zeuge für das Überleben der fliegenden Reptilien angegeben wird, darüber war er selbst nicht glücklich. Er ging davon aus, dass er es in Kamerun mit einer Art Fledermaus oder Flughund zu tun gehabt hatte. Einer extrem großen und bislang offenbar unbekannten Art.

Das Buch, das Frank Melland 1923 veröffentlicht hatte, hieß nicht ohne Grund "In witch-bound Africa" - also so viel wie "Im Afrika der Hexerei". Sagen und Legenden über unheimliche Wesen in wenig zugänglichen Gebieten können natürlich nicht als Beweis für, ja kaum als Hinweis auf real existierende Monster dienen. Die Berichte über von riesigen Flugtieren verletzte Afrikaner in Sambia lassen sich nicht mehr nachprüfen und können auf verzerrten Darstellungen beruhen.

Die Sichtungen in etlichen afrikanischen Staaten würde für eine weitverbreitete Population der Tiere oder für eine sehr mobile Art sprechen. Dafür aber ist die Zahl der Sichtungen auffällig klein. Dabei ist gerade das Gebiet in Sambia, in dem die Tiere hausen sollen, ein wichtiges und beliebtes Ziel für Vogelfreunde. Doch bislang hat noch keiner dieser Enthusiasten dort einen Flugsaurier gesehen.

Auf Papua-Neuguinea mussten die Forscher feststellen, dass die Flieger von den Einheimischen mal als Geisterwesen, mal als echte Tiere beschrieben wurden - und je nach Insel und Region häufig auf unterschiedliche Art. Und von den Rhamphorhynchoiden, zu denen der Ropen gehören soll, kennt man noch nicht einmal Fossilien aus der Kreidezeit. Die Tiere sind offenbar schon mit dem Ende des Jura (vor etwa 145 Millionen Jahren) ausgestorben.

Lebende Flugsaurier

Serie: Mythen von Monstern (9): Historische Bilder zeigen meist Modelle oder sind Fälschungen.

Historische Bilder zeigen meist Modelle oder sind Fälschungen.

(Foto: Foto: oh/Quelle: Darren Naish)

Wirklich glaubwürdige Augenzeugenberichte oder gar Fotos, Videos, Kadaver oder wenigstens Knochen, die nicht etliche Millionen Jahre alt sind, gibt es nicht. Interessant ist auch, dass in den USA, insbesondere in Texas, die Zahl der Sichtungen in den siebziger Jahren erheblich zugenommen hat - just, nachdem dort die Knochen eines riesigen, schwanzlosen Flugsauriers, des Quetzalcoatlus, entdeckt worden waren.

Was aber haben die Menschen gesehen, wenn es kein Flugsaurier war? In Afrikas Sümpfen leben große Vögel, die möglicherweise einige Sichtungen erklären können - etwa der Schuhschnabel oder der Sattelstorch.

In Regionen, wo angeblich fliegende Reptilien gesehen wurden, leben häufig auch Fledermäuse oder Flughunde, deren Größe in der Dunkelheit möglicherweise falsch eingeschätzt wurde. Vielleicht existieren aber tatsächlich besonders große Arten dieser Säuger, die bislang noch nicht wissenschaftlich beschrieben wurden, wie Sanderson es vermutete.

Die Quelle der Lichter über dem Meer vor Papua-Neuguineas Küsten bleibt weiter rätselhaft. Daran änderte auch die Destination-Truth-Expedition des US-Senders Sci Fi Channel 2007 nichts.

Joshua Gates filmte damals etwas Leuchtendes in der Luft, das sich offenbar nicht wie ein Flugzeug bewegte. Gerade das allerdings ist erstaunlich, wenn es sich um einen Flugsaurier gehandelt hatte. Angesichts des Flugapparats dieser Reptilien geht man davon aus, dass sie sich vor allem im Gleitflug bewegten - also gerade so wie ein Flugzeug.

Was für ein Wesen die Piloten vor Bali zum Kurswechsel gezwungen hat, bleibt unklar. Schade, dass sie, wie die meisten Augenzeugen, keine Kamera dabei gehabt hatten.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: