Die angehenden Tierärzte hatten sich zu einer Lehrstunde im Pferdestall getroffen. Der Professor dozierte über Heu und Silage, über die Verwendung von Mais, Zuckerrüben und Weizenkleie. Irgendwann bekam eines der Pferde einen Liter Hafer in den Trog und futterte gierig darauf los. "Ich hatte übrigens heute Morgen Streit mit meiner Frau", sagte der Professor plötzlich, zog seinen Ehering vom Finger und warf ihn zwischen die Haferkörner. Betretenes Schweigen machte sich breit. Als das Pferd fertig gefressen hatte, drehte es sich vom Trog weg. "Schauen Sie nach", sagte der Professor. Und da lag er, der Ehering - auf dem sonst blank geschleckten Boden des Futtertrogs.
Das Pferd hatte ihn aussortiert. Möglich ist das, weil Pferde ein überaus sensibles und mit feinen Muskeln durchzogenes Maul haben. Sie können ihre Lippen mit dem kräftigen Lippenschließmuskel aufeinanderpressen. Allein zum Bewegen des Mauls und der Nüstern haben sie weitere zehn Muskeln. Beim Sortieren hilfreich ist auch die zarte und empfindsame Haut rund um die Schnauze, die zusätzlich mit feinen Tasthaaren versehen ist. So ausgestattet erkennt ein Pferd fast alles, was nicht in sein Futter gehört. "Bei einem Hund oder einer Kuh hätte ich das nicht gemacht", sagt der Professor. "So schlecht ist es um meine Ehe doch nicht bestellt."
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