Serie: Bio bizarr (10):Sex mit Blumen

Manche Wespenmännchen lassen sich von Orchideen zum Liebesspiel verführen. Für die Pflanzen ist das von Vorteil. Für die Tiere nicht. Gut, dass es da noch die Wespenweibchen gibt.

Markus C. Schulte von Drach

Sex mit einer Attrappe mag ja eine Lösung sein, wenn die Alternative Abstinenz bedeutet und man nur Spaß haben möchte.

Serie: Bio bizarr (10): Von der Orchidee verführt: Schlupfwespe der Art "Lissopimpla excelsa".

Von der Orchidee verführt: Schlupfwespe der Art "Lissopimpla excelsa".

(Foto: Foto: Esther Beaton/Macquarie University)

Wenn es sich allerdings um eine gezielte Täuschung handelt, sieht die Sache anders aus. So locken manche Pflanzen gezielt Insekten an, indem sie so tun, als seien sie geeignete Sexualpartner. Und da erhält die Geschichte von den Blumen und den Insekten eine völlig neue Qualität.

Es gibt in Australien nämlich Orchideen, die weibliche Schlupfwespen so perfekt imitieren, dass die Männchen sie nicht nur besuchen, mit Pollen bestäubt werden und diese dann bei der nächsten Blüte abliefern. Diese Blumen sind für die Wespen der Art Lissopimpla excelsa so unwiderstehlich, dass die männlichen Tiere mit ihnen tatsächlich kopulieren.

Das ist für die Orchideen gut, denn die Liebesbemühungen der Wespen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Pollen übertragen werden. Außerdem kann sich die Pflanze die Nektarproduktion sparen, mit der andere Blumen ihre fleißigen Fortpflanzungshelfer belohnen.

Für die Schlupfwespen dagegen ist die kurze Liaison ein Nachteil, da sie ihren Samen an eine hübsche, aber betrügerische Blüte verschwenden.

Trotzdem bedienen sich in Australien gleich fünf Arten der Orchideen-Gattung Cryptostylis der Lissopimpla-Männchen, um sich fortzupflanzen.

Evolutionäres Wettrüsten

Diese Beobachtung, von der Anne Gaskett und ihre Kollegen von der Macquarie University im australischen Sydney kürzlich erstmals berichtet haben, ist ein schönes Beispiel für das sogenannte Wettrüsten (arms race), das sich zwischen vielen Arten im Verlauf der Evolution ergeben hat (American Naturalist, Vol. 171, Nr. 6, S. 206, 2008).

So waren die Vorfahren der Schlupfwespen den Orchideen-Ahnen vermutlich weniger stark verfallen, weil diese sie noch nicht so effektiv anlocken konnten. Dann tauchte eine Orchidee mit einer etwas reizvolleren Wirkung auf die Insekten auf und war gegenüber ihrer Konkurrenz damit im Vorteil.

Auf der anderen Seite konnten männliche Wespen, die besser zwischen Weibchen und Weibchen-Imitaten unterscheiden konnten als ihre Artgenossen, ihren Fortpflanzungserfolg erhöhen. Dann waren wieder die Orchideen am Zug. Die fast perfekte Imitation des Wespenweibchens durch die Pflanzen ist eine Folge dieses Wechselspiels.

Derzeit, so scheint es, sind die Wespen die Verlierer. Viele Männchen gehen über die Grenzen des Tierreichs hinaus fremd und viele Weibchen gehen deshalb leer aus. Doch der Wettstreit ist noch nicht vorüber, die Täuschung ist nicht ganz vollendet.

Einerseits stellen die Erfahrungen, die sie mit einer Vertreterin aus dem Pflanzenreich gemacht haben, die männlichen Wespen offenbar nicht wirklich zufrieden. Die meisten Freier zeigen den Orchideen bereits nach ihrem ersten Mal die kalte Schulter und versuchen ihr Glück bei einem Weibchen der eigenen Art.

Andererseits wissen sich die weiblichen Wespen zu helfen. Wenn die pflanzliche Konkurrenz zu groß ist und sich zu viele Männchen bei den Blüten herumtreiben, dann produzieren die Weibchen einfach allein Nachwuchs. Die Tiere sind zur Jungfrauengeburt (Parthenogenese) in der Lage.

Sex mit Blumen

Hautflügler, zu denen die Wespen gehören, sind haplodiploid. Das bedeutet, Männchen entwickeln sich aus unbefruchteten Eiern und besitzen nur einen Chromosomensatz. Aus befruchteten Eiern dagegen entstehen Weibchen mit einem doppelten Satz von Chromosomen - einem von der Mutter und einen vom Vater.

Serie: Bio bizarr (10): Für viele Wespen anfänglich unwiderstehlich: Eine "Cryptostylis"-Blüte.

Für viele Wespen anfänglich unwiderstehlich: Eine "Cryptostylis"-Blüte.

(Foto: Foto: Anne Gaskett/Macquarie University)

Die Wespenweibchen können sich demnach ohne Partner fortpflanzen - aber es entstehen dabei nur Männchen. Je mehr von diesen nun existieren, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Weibchen später trotz der pflanzlichen Nebenbuhlerinnen einen Partner finden.

Auf die große Bedeutung der Genetik für die Beziehung zwischen den Orchideen und den Wespen deutet auch die Tatsache hin, dass "fast alle Orchideen, die auf diese Weise betrügen, von haplodiploiden und nicht staatenbildenden Insekten bestäubt werden", erklären Gaskett und ihr Team. So lange die ausgebeuteten Bestäuber sich in ausreichendem Maße sexuell fortpflanzen, können die Pflanzen davon profitieren.

Wäre die Täuschung der Orchideen dagegen perfekt auf die Männchen einer Insektenart abgestimmt und könnten sich die Weibchen der betroffenen Spezies nicht ohne Partner vermehren, so wären beide Arten in großer Gefahr, auszusterben - zuerst die Wespen als Opfer des Betrugs, und schließlich die Betrüger selbst, die auf die Insekten als Pollen-Kurier angewiesen sind.

Und wer weiß, wie häufig genau ein solcher Prozess in der Vergangenheit die Ursache für den Untergang von Arten war. Fazit: Sich abhängig zu machen, ist gefährlich und beim Wettrüsten können beide am Ende Verlierer sein.

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