Seismische Lücke vor Chile:Wissenschaftler erwarten noch stärkeres Beben

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War das Erdbeben in Chile vor wenigen Tagen nur der Auftakt? Seismologen befürchten es. Eine Animation zeigt, welche Flutwellen bei solchen Erdbeben entstehen.

Von Christopher Schrader

Nachdem zwei schwere Erdbeben in den vergangenen Tagen den Norden Chiles erschüttert haben, analysieren Geophysiker jetzt die Details. Ihre erste Erkenntnis ist: Die sogenannte seismische Lücke vor der Hafenstadt Iquique hat sich entgegen ersten Annahmen nicht vollständig geschlossen. Es besteht also weiter die Gefahr, dass dort in den kommenden Jahren schwere Erdbeben auftreten.

Mit dem Begriff der seismischen Lücke bezeichnen Geoforscher Abschnitte einer bekannten Spannungslinie, an denen es längere Zeit keine heftigen Erdstöße gegeben hat. Entlang der gesamten Küste Südamerikas von Panama nach Patagonien baut sich ständig Spannung auf, weil sich die unter dem Pazifik liegende Nazca-Erdplatte mit knapp sieben Zentimetern pro Jahr nach Osten unter die Südamerikanische Platte schiebt.

An jedem Abschnitt dieser Linie sollte der Meeresboden im Verlauf von 150 Jahren mindestens einmal aufbrechen und dabei Seebeben der Stärke 8 oder mehr auslösen, sagt Onno Oncken vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam (GFZ). Nördlich und südlich der aktuellen Epizentren hat es die Küste in den Jahren 2001 und 2007 erschüttert, vor Iquique aber zuletzt 1877.

"Nicht der Schock, den wir erwartet haben"

Die beiden Hauptbeben aber, die am 2. und 3. April in den frühen Morgenstunden deutscher Zeit mit Magnituden von 8,1 und 7,6 den Meeresboden erschütterten, haben nur im mittleren Drittel der Lücke zur Entspannung geführt. Auch die etwa 130 Vor- und Nachbeben mit Stärken zwischen 4 und 6 konzentrierten sich entlang einer etwa 100 Kilometer langen Strecke vor Iquique. Zwei große Segmente nördlich und südlich davon blieben unberührt. "Das bedeutet, dass die Gefahr eines oder gar mehrerer Beben mit Magnituden deutlich über 8 nach wie vor besteht", sagt Oncken.

Mark Simons vom California Institute of Technology stimmt zu: "Das 8,2-Erdbeben war nicht der große Schock, den wir für die Gegend erwartet hatten", sagte der Geophysiker der Nachrichtenagentur AP. "Da könnte noch ein größerer kommen." Die Platten hätten sich seit den letzten großen Erschütterungen bereits um elf Meter verschoben und seien immer noch miteinander verhakt.

In Nordchile hatten die deutschen Forscher zusammen mit einheimischen Kollegen Messgeräte installiert. Sie hätten die Beben heil überstanden und einen "weltweit einzigartigen Datensatz" über die ganze Periode aufgezeichnet, meldet das GFZ.

© SZ vom 05.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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