Forschung:Terraforming ist zu einem ernsthaften Forschungsthema geworden

Auch die didaktischen Filme "Man and the Moon" und "Man in Space" von Walt Disney aus dem Jahr 1955 sind schöne Beispiele. Darin erklärt der deutsche Raketenkonstrukteur Wernher von Braun, der nach dem Zweiten Weltkrieg für die Nasa arbeitete, wie die Raumfahrt funktioniert, ergänzt durch Cartoonszenen. Diese Zusammenarbeit setzte sich im 21. Jahrhundert fort. "Der Film 'Der Marsianer' von Ridley Scott wäre nicht entstanden ohne das Expertenwissen der Nasa, sie war auch sehr an der Vermarktung des Films beteiligt", sagt Ganser. Die Nasa unterhalte ein eigenes Kulturbüro, das PR macht und Einfluss nimmt auf kulturelle Institutionen. "Im Gegenzug eröffnen solche Science-Fiction-Filme Spielräume für das Denken, wecken Interesse und regen zu Ideen an, die dann später wiederum in der Wissenschaft aufgegriffen werden", sagt Ganser.

Forschung: So wie Antidepressiva heute sollte die Droge Soma aus Aldous Huxleys "Schöner Neuer Welt" die Stimmung aufhellen, zugleich wirkte sie als Aphrodisiakum. Die Menschen nahmen sie regelmäßig ein.

So wie Antidepressiva heute sollte die Droge Soma aus Aldous Huxleys "Schöner Neuer Welt" die Stimmung aufhellen, zugleich wirkte sie als Aphrodisiakum. Die Menschen nahmen sie regelmäßig ein.

(Foto: Mauritius Images)

Ein gutes Beispiel dafür ist das Konzept des "Terraformings", also der Erdumformung. Damit bezeichnen Forscher Technologien, die einen Planeten physikalisch und chemisch so verändern, sodass er fruchtbar und bewohnbar für Menschen wird. Im Zentrum der Forschung steht besonders häufig der Mars. Der Begriff tauchte zum ersten Mal in der Kurzgeschichte "Collision Orbit" auf, die der Schriftsteller Jack Williamson im Jahre 1942 in einem Science-Fiction-Magazin veröffentlicht hatte.

Mittlerweile ist Terraforming zu einem ernsthaften Forschungsthema innerhalb der Astrogeophysik und Planetenwissenschaften geworden. Der wohl bekannteste Wissenschaftler in diesem Bereich ist Christopher McKay am Nasa Ames Research Center, der schon vor Jahrzehnten Studien dazu im Fachmagazin Nature veröffentlichte. Er beschäftigte sich unter anderem mit den Atmosphären des Saturn-Mondes Titan und des Mars, forschte an extremen Orten wie dem Death Valley oder den Seen der Antarktis.

Forschung: In dem Film "Die phantastische Reise" lassen sich Chirurgen mitsamt U-Boot verkleinern, um im Gehirn zu operieren. Miniroboter sollen tatsächlich in den Körper eingeschleust werden.

In dem Film "Die phantastische Reise" lassen sich Chirurgen mitsamt U-Boot verkleinern, um im Gehirn zu operieren. Miniroboter sollen tatsächlich in den Körper eingeschleust werden.

(Foto: 2019 Starship Modeler Store)

Auch irdische Botaniker versuchen, Kartoffeln unter Marsbedingungen anzubauen

"Unter dem Eindruck der Ökologiebewegung entstanden schon in den 70er-Jahren Filme, die Terraforming im weitesten Sinne thematisieren, zum Beispiel Soylent Green oder Silent Running", so Ganser. Der Marsianer von Ridley Scott ist eines der neuesten Beispiele: Mark Watney versucht, Kartoffeln auf dem Mars anzubauen - und das funktioniert auch, denn er ist Botaniker. Tatsächlich versuchen derzeit auch irdische Pflanzenkundler Kartoffeln unter Marsbedingungen anzubauen. Forscher des International Potato Centers in der peruanischen Hauptstadt Lima haben gemeinsam mit der Nasa ein Minilabor entwickelt, in dem sie Temperaturen, Druck, Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre des Roten Planeten imitieren. Der Boden stammt aus der peruanischen La-Joya-Wüste.

Ein weiteres gutes Beispiel für die Symbiose von Wissenschaft und Science-Fiction ist die Astrobiologie, die sich mit möglichem Leben im Weltraum jenseits der Erde beschäftigt. "Im Grunde hat nur der Einfluss von Science-Fiction dazu geführt, dass im 20. Jahrhundert sehr viele Forschungsgelder in die Suche nach außerirdischem Leben gesteckt wurden", schreibt Mark Brake in seinem Buch "The Science of Science Fiction".

Forschung: Hätte funktionieren können: Ein US-Erfindermagazin stellte eine Solaranlage vor, bei der eine Linse Sonnenstrahlen einfängt, die Öl erhitzen, was über einen Wasserdampfgenerator Strom erzeugt.

Hätte funktionieren können: Ein US-Erfindermagazin stellte eine Solaranlage vor, bei der eine Linse Sonnenstrahlen einfängt, die Öl erhitzen, was über einen Wasserdampfgenerator Strom erzeugt.

(Foto: Getty Images)

Womöglich suchen deshalb seit den 1960er-Jahren immer wieder SETI-Forschungsprojekte (Search for Extraterrestrial Intelligence) das All nach Signalen fremder Intelligenzen ab. "Bis heute haben wir ja keinen wissenschaftlich haltbaren Hinweis darauf, dass Zivilisationen außerhalb der Erde existieren, die ähnliche Nachrichtentechnologien nutzen. Hier führt also pure Imagination zu wissenschaftlicher Forschung", schreibt Brake, der Professor für Wissenschaftskommunikation an der britischen Universität von Glamorgan war.

Das Genre Science-Fiction verändert sich außerdem: Es wird immer ernsthafter und wissenschaftlicher. "Der Anspruch Hollywoods ist es heute, harte Science-Fiction zu machen, die möglichst auf Fakten beruht, die also ernst genommen wird. Die Science-Fiction ist seriös geworden", sagt Alexandra Ganser. Zum Beispiel veröffentlichen mittlerweile sogar sehr respektable wissenschaftliche Verlage Reiseführer für Weltalltouristen.

Auch entsteht gerade ein ganz neues populärwissenschaftliches Genre: Das Magazin National Geographic etwa hat die Serie "Mars" produziert. Sie ist aufgebaut wie eine Qualitätsserie, wie sie etwa der Fernsehprogrammanbieter HBO produziert: Es geht um ein fiktives Astronautenteam, das im Jahr 2033 zum Mars aufbricht. Zugleich aber wird die Handlung immer wieder unterbrochen durch Sprünge ins Jetzt, mit Kommentarsequenzen etwa von Tesla-Chef Elon Musk. "Fiktion und Wissenschaft gehen hier Hand in Hand", kommentiert Ganser.

Doch genau darin liegt aus ihrer Sicht auch eine Gefahr: "Es vermischen sich Fiktionalität und Projektionen in die Zukunft mit der Realität. Es wird impliziert, dass es eine natürliche Entwicklung zum Leben auf dem Mars gibt, dass es im Wesen der Menschheit liegt, zu expandieren." Darin sieht die Amerikanistin die Fortführung einer amerikanischen Eroberungsrhetorik. "Es wird mit diesen Filmen und Serien vermittelt, dass die Menschheit auf der Erde nicht überleben kann und eine Expansion ins Weltall unvermeidlich ist, der logische nächste Schritt.

Dabei ist das wiederum wirklich reine Fiktion." Viel sinnvoller sei es, den Pioniergeist dafür aufzubringen, die Erde nicht zu zerstören, als die Vorstellung zu verbreiten, es sei leicht machbar, das Universum nachhaltig zu gestalten. Ganser hat einen Verdacht: "Die hohen Kosten für die Raumfahrt müssen legitimiert werden. Dafür ist die Traumfabrik Hollywood natürlich der richtige Ort - um Menschen glauben zu machen, diese Forschung sei für uns überlebenswichtig." Es lohne sich also für die Nasa, Geld in Hollywood zu investieren, denn sei die Stimmung im Land passend, bekämen auch Wissenschaftler eher ihre Forschungsprojekte finanziert. "Es ist in den USA außerdem deutlich, dass viele Wissenschaftler in der Raumfahrt diesen Ideen relativ unhinterfragt anhängen."

Es gibt sogar einen neuen, feststehenden Begriff für diese Vorstellungen der Kolonialisierung des Universums: "Astrofuturismus" bezeichnet eine Utopie, die der Menschheit ein neues Leben auf anderen Planeten im All nicht nur voraussagt, sondern als unvermeidlich darstellt. Die Dystopie auf der Erde ist darin gesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Buch "How we'll live on Mars" von Stephen Petranek, das voraussagt, wie Menschen im Jahr 2027 auf dem Mars leben werden. Das Buch ist in den USA sehr erfolgreich, Petranek tourte damit durch zahlreiche Talkshows.

"Sogenannte Pro-Space-Aktivisten veröffentlichen ihre Ideen fleißig und bieten eben guten Stoff für Geschichten", sagt Ganser. "Aktuell sind Apokalypsen und Dystopien sehr en vogue. Dabei brauchen wir positive Erzählungen über die Zukunft, die mehrere Möglichkeiten offenlassen - damit wir uns nicht reale Handlungsmöglichkeiten verbauen."

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