Schweinegrippe weltweit:Zwischen Panik und Scharlatanerie

London verteilt mit vollen Armen Tamiflu, China setzt auf Zwangsquarantänen, in Bulgarien lockt die Schweinegrippe Betrüger an: Wie die Welt mit dem Virus umgeht.

Berit Uhlmann

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Schweinegrippe, Deutschland

Quelle: SZ

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"Menschen, die eine Schweinegrippe bei sich für möglich halten, haben keinen Zutritt zur Praxis", prangt an der Tür eines Arztes in Hannover. Behandelt werden die Patienten trotzdem, allerdings in einem separaten Raum. So drastisch dieses Einzelbeispiel anmutet - insgesamt hat Deutschland die Regeln im Umgang mit Schweinegrippe-Kranken entschärft.

Die Behörden fahnden längst nicht mehr nach allen Kontaktpersonen der Erkrankten, um diese in Quarantäne zu stecken. Allenfalls Menschen mit beruflichem Kontakt zu gefährdeten Gruppen dürfen beim Verdacht auf Schweinegrippe vorübergehend nicht arbeiten. Dazu gehören Ärzte, Krankenschwestern und Kindergärtnerinnen.

Laxer geht es auch bei der Erfassung der Fälle zu: Anders als in vielen anderen Ländern zählt Deutschland die Erkrankungen zwar noch, allerdings fließen in die Statistik nicht mehr nur die durch Laboranalysen bestätigten, sondern alle Fälle ein, bei denen eine Schweinegrippe wahrscheinlich ist.

Foto: dpa

Schweinegrippe, Großbritannien

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Großbritannien gilt als das am stärksten betroffene Land in Europa, obwohl das Gesundheitssystem den Überblick über den aktuellen Stand der Erkrankungen verloren haben dürfte.

Stattdessen bringen die Behörden mit vollen Armen das Grippemittel Tamiflu unters Volk. In England, wo sich die Fälle besonders häufen, können die Einwohner das Medikament, ohne einen Arzt zu konsultieren, über die Telefon-Hotline oder die Internetseite des Gesundheitsdienstes bestellen. Die Website kollabierte schon am ersten Tag.

Ausgeteilt werden die Medikamente mittlerweile auch von Rathäusern, Bibliotheken und Sportzentren, nachdem die Apotheken den Ansturm von Patienten nicht mehr bewältigen können.

Und das man auch mit dem Schlimmsten rechnet, zeigt beispielsweise der Plan der Stadt Exeter, Katakomben aus dem 19. Jahrhundert zu öffnen, um im Fall der Fälle die Opfer der Schweinegrippe schnell unter die Erde zu bringen.

Foto: AP

Schweinegrippe, Großbritannien

Quelle: SZ

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Frankreich sieht die Entwicklung jenseits des Kanals mit Sorge und zog sich durch die unfreundliche Ausweisung britischer Reisender den Unmut der Insel zu. Britische Schüler, die an der Schweinegrippe erkrankt waren, seien "wie Kriminelle" und unter Beschimpfungen des Landes verwiesen worden, schreiben britische Medien. Auch drei deutsche Camper, die sich das Virus eingefangen hatten, wurden zur vorzeitigen Rückreise gezwungen.

Foto: AFP

Schweinegrippe, Mexiko

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Mexiko scheint zumindest für den Moment das Schlimmste überstanden zu haben. Derweil sucht das Land, in dem das H1N1-Virus seinen Ausgang nahm, noch immer nach dem genauen Ursprung der Erkrankung.

Die Behörden hatten zunächst angenommen, "Patient Null" sei ein fünfjähriger Junge aus La Gloria im Osten des Landes, ein Ort, der große Schweinemastanlagen beherbergt. Das Städtchen hatte dem mittlerweile wiedergenesenen Jungen sogar ein Denkmal gesetzt (Foto).

Nun aber identifizierten die Gesundheitsbehörden ein sechs Monate altes Baby aus San Luis Potosi im Norden als erste Erkrankte des Landes. Das mittlerweile wieder gesunde Mädchen zeigte bereits am 24. Februar Symptome der Schweinegrippe, fast zwei Monate bevor Mexiko wegen der neuartigen Erkrankung Alarm schlug.

Ob das Baby wirklich die erste Patientin war, ist nich mit Gewissheit zu sagen. Als sicher gilt, dass es in seinem erst kurzem Leben noch keinen Kontakt zu Schweinen hatte.

Foto: AFP

Schweinegrippe, China

Quelle: SZ

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China, Ausgangspunkt von SARS und Vogelgrippe, fällt durch rigorose Maßnahmen zur Eindämmung der Schweinegrippe auf. Wiederholt wurde Ausländern beim bloßen Verdacht auf Schweinegrippe eine Zwangsquarantäne verordnet, wie diesem Touristen auf dem Foto.

Einreisende müssen zudem ihre Körpertemperatur messen lassen. Chinesen, die sich im Ausland aufhalten, bekommen nach ihrer Rückkehr eine Woche frei - rein vorsichtshalber.

Schaut man sich die offizielle Statistik an, wonach von mehr als einer Milliarde Chinesen nur rund 2000 erkrankt sind, scheinen diese Maßnahmen zu wirken. Allerdings ist Chinas Politik im Umgang mit epidemiologischen Daten in früheren Fällen alles andere als offen gewesen. Ob die aktuellen Zahlen stimmen, bleibt daher fraglich.

Foto: Reuters

Schweinegrippe, Bulgarien

Quelle: SZ

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Bulgarien machte im Zusammenhang mit der Schweinegrippe vor allem durch eine betrügerische Masche von sich reden. Korrupte Grenzbeamte verlangten bei der Einreise eine Bestätigung, dass der Reisende nicht an der neuen Form der Influenza leide. Wer ein solches Dokument nicht vorlegen konnte, bekam ein Bußgeld oder sogar eine kostenpflichtige "Zwangsimpfung" verordnet.

Die bulgarische Botschaft in Berlin sah sich veranlasst zu erklären, dass bislang weder eine Impfung gegen die Schweinegrippe existiert, noch ein offizielles Attest. Um diese Faktenlage zu dokumentieren, stellt sie unter mfa.bg/berlin allen Bulgarienreisenden eine entsprechende offizielle Erklärung zur Verfügung.

Foto: Screenshot

Schweinegrippe, Mallorca

Quelle: SZ

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Der Sangria aus dem Sammeleimer ist in Verruf geraten, nachdem sich die Schweinegrippe auf Mallorca und in anderen spanischen Urlaubsgebieten rasant ausbreitet und bereits Todesopfer forderte. Den Urlaub abzusagen, mag derzeit niemand raten, doch deutsche Reisemediziner warnen vor dem Eimer und empfehlen, eine Ladung Desinfektionstücher griffbereit zu haben. Immerhin waren 80 Prozent der Ende Juli neu erkrankten Deutschen Reiserückkehrer aus Spanien.

Foto: dpa

Schweinegrippe, Haddsch

Quelle: SZ

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Wegen der Schweinegrippe schränken die arabischen Gesundheitsminister Wallfahrten nach Mekka ein. Menschen über 65, Kinder unter zwölf und chronisch Kranke dürfen keine Pilgerreisen mehr in die heilige Stadt unternehmen. Während der Haddsch, der großen Pilgerfahrt nach Mekka, kommen jährlich mehr als zwei Millionen Menschen zusammen.

Foto: Reuters

Schweinegrippe, Labor

Quelle: SZ

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Die USA gehörten zu den ersten Ländern, in denen sich der Erreger ausbreitete. Die Gesundheitsbehörden schätzen, dass dort mittlerweile mehr als eine Million Menschen erkrankt sind. Mit Investitionen von mehr als acht Milliarden Dollar will das Land die Bereitstellung eines Impfstoffes forcieren. Klinische Tests für zwei potentielle Impfstoffe sollen wohl im August an amerikanischen Universitäten beginnen.

Foto: dpa

Schweinegrippe, Australien

Quelle: SZ

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Wie verbreitet das H1N1-Virus mittlerweile ist, lässt sich auch daran erkennen, dass es auch in abgelegenen Gegenden Australiens um sich greift. Vor allem in Aborigine-Dörfern breitet sich die Schweinegrippe rasch aus - begünstigt durch die Tatsache, dass die Menschen dort eng zusammenleben, wenig Zugang zu medizinischen Einrichtungen haben und aufgrund von Armut häufiger unter chronischen Krankheiten leiden.

Das Beispiel zeigt die große Unbekannte in der Entwicklung der Schweinegrippe: In den armen Gebieten der Erde, in denen ganze Gesellschaften unter anderen Seuchen leiden und kaum medizinisch versorgt werden, weiß niemand, wie verbreitet das Virus bereits ist - und welche Veränderungen es möglicherweise bereits genommen hat.

Foto: Reuters

(sueddeutsche.de/beu/cs)

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