Süddeutsche Zeitung

Schweinegrippe-Prävention:Impfung als Symbolpolitik

Der Aktivismus von Behörden und Politikern in Sachen Schweinegrippe verdient vielfach die Diagnose: Hyperaktivität im Fieberwahn - und könnte gefährlich werden.

Werner Bartens

Die Schweinegrippe breitet sich aus, und die Politik in Deutschland reagiert prompt. Die Bundesländer übertreffen sich darin, wer mehr Antivirenmittel gehortet hat. Ministerien beraten darüber, wie viel Impfstoff sie bestellen und welche Berufs- und Bevölkerungsgruppen zuerst geimpft werden. Nationale Pandemiepläne werden überarbeitet, und die Virenforschung bekommt mehr Geld. Falls die neue Influenza vom Typ H1N1 bald schlimmer wüten sollte, scheint Deutschland gut vorbereitet zu sein.

Dieser Eindruck täuscht. Der Aktivismus von Behörden und Politikern in Sachen Schweinegrippe verdient eher die Diagnose Hyperaktivität im Fieberwahn. Das kann getrost als Symbolpolitik im Wahlkampf verbucht werden. Tamiflu und Relenza für Millionen? Bisher weiß man, dass diese Medikamente die Symptome der Schweinegrippe nur minimal abmildern. Die Dauer des Fiebers vermindert sich von sechs auf fünf Tage. In Dänemark und den USA sind Resistenzen aufgetaucht, auch weil die Mittel zu sorglos verabreicht wurden. Zudem mehren sich Berichte über Nebenwirkungen wie Übelkeit, allergische Reaktionen und psychische Störungen.

Ein neuer Impfstoff, den im ersten Durchgang 25 Millionen Bundesbürger bekommen sollen, könnte noch schlimmere Folgen haben. In den Zulassungsstudien wird das Mittel nur an ein paar tausend Probanden getestet - Nebenwirkungen bei einem Prozent der Teilnehmer würden da kaum auffallen. Später wären 250.000 Menschen betroffen. Der neue Impfstoff, von dem niemand weiß, wann er fertig ist, darf keinesfalls vorschnell auf den Markt kommen. Dann wäre die Symbolpolitik nicht nur nutzlos, sondern womöglich sogar gefährlich.

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