Süddeutsche Zeitung

Schweinegrippe-Impfung:Wer sollte die erste Spritze bekommen?

Experten sehen junge Eltern als die besten Kandidaten für die Schweinegrippe-Impfung. Anders liegt der Fall bei Kindern und Schwangeren.

Katrin Blawat

Langsam nur kommt die Produktion der Schweinegrippe-Impfstoffe voran, doch über ihre Verteilung diskutieren Experten nach wie vor heftig. Nun fordert der Epidemiologe Jan Medlock von der Yale University, sich stärker auf Erfahrungswerte früherer Grippeepidemien zu beziehen. Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, müssten sich vorrangig Schulkinder und deren Eltern sowie die Lehrer impfen lassen, sagt der Epidemiologe.

Für seine Studie untersuchte Medlock die Ausbreitungswege der Spanischen Grippe 1918 und die der Asiatischen Grippe 1957. In einem Rechenmodell spielte er verschiedene Impf-Szenarien durch (Science, online). "Die Daten zeigen, dass Schulkinder am stärksten zur Verbreitung einer Grippeinfektion beitragen, und ihre Eltern dienen als Brücke zum Rest der Bevölkerung", argumentiert Medlock.

Allerdings basiert seine Studie auf Erfahrungen mit dem Virus der saisonalen Grippe, das für die winterlichen Influenza-Fälle verantwortlich ist und sich vom Schweinegrippe-Virus unterscheidet. Doch ist der Impfstoff gegen die saisonale Grippe lange erprobt und das Risiko für Nebenwirkungen bekannt. Die Impfstoffe gegen das Schweinegrippe-Virus H1N1 werden hingegen erst seit kurzem in klinischen Studien getestet, verlässliche Aussagen über Nebenwirkungen gibt es noch nicht. "Die Bundesregierung vermittelt den Eindruck, dass die Verteilung der Impfstoffe ein rein technisches Problem sei. Das ist unverantwortlich", sagt der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Wolfram Hartmann. "Im Moment können wir Eltern nicht guten Gewissens empfehlen, ihre Kinder gegen H1N1 impfen zu lassen."

Einer der Impfstoffe, die gerade getestet werden, enthält ein sogenanntes Adjuvans, das ihn effizienter machen soll. Doch diese Zusätze stehen im Verdacht, das Risiko für Nebenwirkungen zu erhöhen. Auch die Weltgesundheitsorganisation mahnt, zunächst die Wirkung des Impfstoffes bei Kindern und in der frühen Schwangerschaft "genauer zu studieren". In Deutschland gehören Schwangere ebenfalls zu den Personengruppen, die als Erste geimpft werden sollen - trotz des unklaren Risikos.

Am wenigsten kritisch sehen Experten die Impfung junger Erwachsener; Jan Medlock empfiehlt sie besonders für Eltern zwischen 30 und 39 Jahren. Dass dies bei der Schweinegrippe nicht nur aus epidemiologischer Sicht sinnvoll ist, haben inzwischen mehrere Studien bestätigt. So waren 87 Prozent der Patienten, die in diesem Frühjahr in Mexiko an den Grippe-Folgen gestorben waren, jünger als 60 Jahre - in den vier Jahren zuvor hatte ihr Anteil nur 17 Prozent betragen. Womöglich haben ältere Menschen im Laufe ihres Lebens eine natürliche Immunität gegen das Schweinegrippe-Virus erworben.

Vertrauen Sie auf die Impfung? Bitte teilen Sie Ihre Meinung mit uns und den anderen Lesern!

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.177504
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 21.08.2009/beu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.