Schweinegrippe:"Es ist der Beginn einer riesigen Welle"

Werden Schweinegrippe und Vogelgrippe zum Killervirus mutieren? "Nein", sagt ein Virologe. Dennoch werde sich die Lage dramatisch verschärfen.

Deutschland vor dem Grippe-Chaos: Der Virologe Alexander Kekulé von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg rechnet mit einem dramatischen Anstieg der Schweinegrippe-Erkrankungen in Deutschland. Der Professor sagte der Passauer Neuen Presse zu den rasch zunehmenden Schweinegrippe-Infektionen: "Es ist der Beginn einer riesigen Welle." Die Zahl der Infektionen im Inland werde in den nächsten Wochen dramatisch zunehmen.

Schweinegrippe, AP

Virologe Kekulé: "Die befürchtete tödliche Hochzeit zwischen Vogel- und Schweinegrippe-Erreger wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben."

Im Bild: Hochsicherheitslabor Marburg

(Foto: Foto: AP)

"Relativ milde"

Kekulé geht jedoch nicht davon aus, dass die Erkrankungen bedrohlich verlaufen. "Zum Glück verlaufen die meisten Erkrankungen derzeit relativ milde. Ich glaube auch nicht, dass sich das deutlich ändern wird", sagte der Experte. Die Warnungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), es könne sich ein "Killervirus" entwickeln, bestätigten sich nicht. "Ganz so schlimm wird es nicht kommen. Die befürchtete tödliche Hochzeit zwischen Vogel- und Schweinegrippe-Erreger wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben."

Die rasche Ausbreitung des Schweinegrippe-Virus werde begünstigt durch die Ferienzeit. "Viele kehren aus dem Ausland zurück. Und an den Ferienorten treffen Menschen aus aller Herren Länder zusammen. In Diskotheken oder Flugzeugkabinen, auf den Balearen oder anderswo herrschen ideale Bedingungen für die Ausbreitung des Erregers", sagte der Virologe.

"Andere Länder waren schneller"

In Deutschland sei man "inzwischen sehr gut aufgestellt", sagte Kekulé, kritisierte jedoch: "Zu Beginn der Pandemie wurde allerdings zu wenig Wert darauf gelegt, das Einschleppen des Erregers nach Deutschland zu verzögern. Mit schärferen Vorkehrungen hätte man sich wertvolle Zeit erkaufen können."

Der Impfstoff sei relativ spät bestellt worden. "Andere Länder waren da schneller. Man wird sehen, ob die Hersteller ihre ursprünglichen Ankündigungen wahr machen und alle Bestellungen der Reihenfolge nach abarbeiten."

Nach der Bestellung von 50 Millionen Impfdosen durch die Bundesländer am Freitag gibt es allerdings dem Spiegel zufolge noch viele offene Fragen zur Verteilung und Finanzierung. Die Vorgabe etwa, zunächst bevorzugt chronisch Erkrankte zu impfen, sei problematisch. Zu HIV-Infizierten, Fettleibigen oder Leberkranken zum Beispiel lägen den Kassen gar keine Daten vor - sie wie gefordert über ihren Impfanspruch zu informieren, sei schwerlich möglich.

Unterdessen suchen Ärzte für die Zulassung eines Impfstoffs gegen die Schweinegrippe an deutschen Kliniken Testkandidaten.

"Die Zulassungsstudien sollen ab September an mehreren hundert Personen durchgeführt werden, darunter auch an Kindern", sagte die Sprecherin des Impfstoff-Herstellers Glaxo (GSK), Daria Munsel, dem Focus .

Die Auswahl der Versuchspersonen nähmen ausschließlich die Ärzte an den Studienzentren vor. Der Hersteller Novartis hat demnach in anderen EU-Ländern bereits mit klinischen Studien begonnen.

Dem Magazin zufolge bewerten Experten die wirkungsverstärkenden Zusätze in dem Impfcocktail (Adjuvantien), mit denen man wenig Erfahrung habe, als heikel. Für die Vorabzulassung des Impfstoff-Prototyps, mit der das jetzige Verfahren verkürzt werde, seien nur Erwachsene getestet worden. Doch der Pandemie-Impfstoff könnte bei Kindern möglicherweise mehr Nebenwirkungen verursachen als der saisonale Grippeimpfstoff, befürchten Experten.

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