Umweltstiftung WWF in der Kritik:Die dunkle Seite des Panda

Der World Wide Fund For Nature gibt sich als Retter der Wildtiere. Das "Schwarzbuch WWF" kratzt nun gehörig am sauberen Image der Umweltstiftung. Fünf Beispiele für fragwürdige Geschäftspraktiken - von der Großwildjagd bis zu Runden Tischen mit Gentechnikriesen wie Monsanto.

Lars Langenau

Würde es nach dem Willen des World Wide Fund For Nature (WWF) gehen, würde dieses Buch wohl nie erscheinen. Mit der Forderung, vor Gericht bestimmte Behauptungen zu unterlassen, versucht der Umweltschutzverband mit dem Panda-Logo das "Schwarzbuch WWF - Dunkle Geschäfte im Zeichen des Panda" (Gütersloher Verlagshaus, 19,99 Euro) zu verhindern.

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WWF weltweit aktiv (hier Ende März in Paris): Die Umweltstiftung macht mobil gegen Luftverpestung - und begibt sich gleichzeitig in gefährliche Nähe zur Industrie

(Foto: AFP)

Noch ist der Fall nicht juristisch entschieden worden, aber schon jetzt hat der WWF einen Teilerfolg errungen: Nahezu alle großen Online-Buchhändler haben nach massivem Druck von Medienanwälten im Auftrag des mächtigen Verbandes das Buch aus ihrem Angebot verbannt. Präventiv. De facto kann es nur direkt über www.randomhouse.de bestellt werden. Von 10.000 Exemplaren wurde bislang gerade einmal die Hälfte verkauft .

Der WWF fürchtet offenbar Ungemach in Folge der Publikation. Denn es scheint eine dunkle Seite des Panda zu geben, der vertrauenswürdigen Marke, mit der Unternehmen gerne werben: Das gibt einen grünen Anstrich und dem Verbraucher das Gefühl, ganz konkret Gutes zu tun. "Nachhaltigkeit ist zum milliardenschweren Zauberwort geworden", sagt Wilfried Huismann.

Der Journalist, Filmemacher und Autor hat viele Jahre recherchiert. Erst für seinen Film "Der Pakt mit dem Panda". Nun für das "Schwarzbuch". Er reiste nach Argentinien, Chile, Indien, Nepal, Indonesien, USA, Schweiz - und seine Erkenntnis raubt Illusionen. Bei der "Nobelmarke unter den Naturschutzorganisationen" laufe nicht alles so, wie es scheint.

Anders als viele andere Umweltschützer wie etwa Greenpeace, setzt der WWF nicht auf Konfrontation, sondern möchte die Industrie "umarmen" - und so das Verhalten selbst von höchst umstrittenen Konzernen ändern. Eine Taktik, die auch innerhalb des Verbandes umstritten ist. Im Gegensatz zu anderen Umweltschutzverbänden nimmt der WWF auch Spenden aus der Industrie an. Wo bleibt da die Unabhängigkeit? Die Lektüre dieses Buches lässt an der gegenteiligen Behauptung des WWF zumindest Zweifel aufkommen.

Die Rückkehr der Großwildjäger

Der WWF setzt sich in seinen Kampagnen vorwiegend für große, charismatische Tiere ein - oft Tiger, Wale, Eisbären, Elefanten. Jüngst machte pikanterweise der König von Spanien Schlagzeilen, als er sich bei der Elefantenjagd in Botsuana eine Hüfte brach. Juan Carlos ist spanischer WWF-Ehrenpräsident und Großwildjäger - mit diesem Hobby kommt er in der Führungsriege des WWF keineswegs allein daher.

Prinz Philipp von Großbritannien, einst WWF-Präsident, erlegte zumindest einen Tiger. Auch im vom WWF mit konzipierten und finanzierten Kavango-Zambezi-Park ist die Jagdsaison eröffnet. "Das Wild Afrikas", schreibt Huismann, "gehört wieder den weißen Großwildjägern und westlichen Jagdreiseunternehmen. Es ist fast so schön wie früher."

Der dreifache Grimme-Preisträger beschreibt die blutige Verflechtung des ersten WWF-Präsidenten Prinz Bernhard der Niederlande mit dem Apartheid-Regime, weist personelle Verquickungen zwischen Mächtigen und WWF nach, sei es in Juntas oder im Ölgeschäft.

Er zeigt, wie der WWF von einer "Allianz aus Geld- und Blutadel" im geheimen "Club der 1001" gestützt wurde - einem "Old-Boys-Network" mit Namen wie Henry Ford, Baron von Thyssen, Aga Khan, Juan Antonie Samaranch, Alfred Heineken, Berthold Beitz, Friedrich Karl Flick sowie von Kriegsverbrechern und Staatsterroristen wie Mobutu Sese Seko.

Im Dschungelbuch-Disneyland

4000 wilde Tiger soll es auf der Erde noch geben. Mit Tigerbildern hat der WWF eine apokalyptisch angehauchte Kampagne entworfen. Das braucht man auch zum Eintreiben von Spenden zur "Rettung des Tigers". Etwa 100 von ihnen sollen im indischen Kanha-Nationalpark leben. Dorthin werden Safaris für knapp 10.000 Dollar angeboten. Premiumpartner des Reisebüros: der WWF. 155 Jeeps auch anderer Veranstalter brettern jetzt täglich durch den Park. Doch was hat das mit Naturschutz zu tun?

Für die Errichtung des Nationalparks mussten Hunderttausende Ureinwohner weichen und verloren ihre Heimat, obwohl sie dort seit Jahrtausenden gemeinsam mit den Raubkatzen leben. Um den Behörden Beine zu machen, zwang der WWF Indiens sie mit Hilfe eines Gerichtsbeschlusses, die Massenumsiedlungen zu beschleunigen. Jetzt sollen noch einmal bis zu einer Millionen Ureinwohner umgesiedelt werden, denn die alten Reservate werden vergrößert und neue sollen entstehen, schreibt der Autor.

Eine Maxime, die auch anderswo gilt. "Allein in Afrika sind 14 Millionen Menschen gegen ihren Willen umgesiedelt worden, um Platz für wilde Tiere zu schaffen", schreibt Huismann. Der WWF habe Umweltschutz von Anfang an als eine Art Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln gesehen.

"Vertreibung ist ein ganz dunkles Kapitel des Naturschutzes", sagt auch ein WWF-Sprecher der SZ. Aber: "Der WWF hat dazugelernt und lehnt Zwangsumsiedlung schon lange ab." Huismann dokumentiert jedoch eine andere Realität.

Der Panda und der Lachs

Der WWF arbeitet auch mit Marine Harvest aus Norwegen zusammen. Haupteigner: John Frederiksen, Finanzinvestor, Eigner der größten Tankerflotte der Welt, Marktführer bei Ölplattformen und der Mann, in dessen Händen ein Drittel der weltweiten Lachsproduktion liegt.

Frederiksens Firma lässt in Norwegen und vor der chilenischen Küste Lachse züchten. In Chile werden sie in riesigen Käfigen gehalten und mit so viel Antibiotika vollgepumpt, dass Huismann sie "schwimmende Apotheken" nennt.

Nachhaltigkeit sei bei der Lachsproduktion unmöglich: "Um ein Kilo Lachsfleisch herzustellen, werden vier bis sechs Kilogramm wildlebende Fische getötet" und zu Fischfutter verarbeitet, schreibt Huismann. Marine Harvest sei ein "janusköpfiges Monster", das sich in Norwegen grün und transparent gebäre, in Chile aber die Meeresökologie und das Leben der Menschen zerstöre.

Trotzdem schlossen der Konzern und der WWF 2008 einen Partnerschaftsvertrag.

Streitfall Palmöl

Palmöl findet sich in den vielen Reinigungsmitteln und Kosmetika. Der Run auf das wertvolle Öl ging aber erst richtig los, seit die Europäer es als "regenerative" Energie aus Pflanzen entdeckten. In Kalimantan, dem indonesischen Teil von Borneo, werden Wälder gerodet - einst zur Holzproduktion, heute, um Palmölplantagen anzulegen.

Der WWF sehe es bereits als Verhandlungserfolg, wenn der weltweit größte Palmölkonzern Wilmar 300 000 Hektar abholzen darf - und im Gegenzug etwa zwei Prozent der Fläche als Schutzgebiet stehen lässt, kritisiert Huismann. Zudem sitzt der WWF gemeinsam mit Unilever, Bayer und der HSBC-Bank an einem Runden Tisch, der in einem Akt der Selbstverpflichtung Nachhaltigkeitszertifikate verteilt - diese wiederum legitimieren die Rodung von Wäldern, sofern es sich nicht um besonders schutzwürdige handelt.

Doch die gibt es kaum mehr. Auch weil niemand kontrolliert, ob sich die Unternehmen an ihre Standards halten, haben andere Umweltschutzorganisationen den Runden Tisch schnell wieder verlassen. Der WWF versichert, dort nur mitzumachen, um "Schlimmeres" zu verhindern. Doch wo ist der Erfolg? Ein lokaler Aktivist bilanziert: "Der WWF wäscht die Umweltsünden der Industrie grün - und nimmt auch noch Geld dafür."

Am Runden Tisch mit Monsanto

WWF-Tausendsassa Jason Clay, Vizepräsident des US-Verbandes, fädelt für den Umweltverband die wichtigsten Industriepartnerschaften ein. Er vertritt den WWF bei einer Lobbyorganisation der Agrar- und Technologiekonzerns Cargill und Monsanto - und ist Vorkämpfer für die Gentechnik.

Abermals sitze man gemeinsam am Runden Tisch, abermals besorge der WWF durch die gemeinsame Vergabe von Nachhaltigkeitssiegeln einer umstrittenen Branche ein grünes, progressives Image, so Huismann. "Diese Siegel sind kein Allheilmittel, sie setzen Mindeststandards, oft sind die von Biosiegeln höher", sagt auch der WWF-Sprecher. Aber es ist nicht damit getan, wenn er Huismann persönlich unterstellt, dass dieser es immer so drehe, als läge die Verantwortung für alles Ungemach der Welt beim WWF. Das macht er auch nicht.

Sein Buch wirft Fragen auf. Viele Fragen. Vom WWF erhofft man sich Antworten - nicht Ausreden oder teure Klagen.

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