Schutz vor Naturkatastrophen:Flutfunk

Ein einfaches Warnsystem rettet Menschenleben in Mosambik. Entwickelt wurde es von der deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der Münchener-Rück-Stiftung zusammen mit einheimischen Fachleuten.

Axel Bojanowski

Die Katastrophe schien unabwendbar. Mitte Februar hatte sich über dem Indischen Ozean der Wirbelsturm Favio gebildet und nahm Kurs auf Mosambik. Mit Stürmen einhergehende Regengüsse sorgen in Ostafrika regelmäßig für Verwüstungen. Und nach dem Wind kommt das Hochwasser. Im Februar 2000 ertranken in Mosambik mindestens 700 Menschen in den Fluten des Flusses Buzi, der über die Ufer getreten war. Die Fernsehbilder von damals waren erschreckend: Familien warteten in Bäumen und auf Hüttendächern auf Rettung.

Schutz vor Naturkatastrophen: Bilder von der letzten Flutkatastrophe in Mosambik. Dieses Jahr konnten die meisten wenigsten ihr Leben retten.

Bilder von der letzten Flutkatastrophe in Mosambik. Dieses Jahr konnten die meisten wenigsten ihr Leben retten.

(Foto: Foto: dpa)

Auch bei dem diesjährigen Unwetter wurden Tausende obdachlos. Hilfsorganisationen wie Ärzte ohne Grenzen und Caritas berichten, dass noch immer Nahrungsmittel und Trinkwasser fehlen. Doch so schlimm wie vor sieben Jahren wurde es nicht, die meisten Anwohner konnten ihr Leben retten. Die rechtzeitige Warnung vor dem Hochwasser verdanken sie einem Alarmsystem, das Spezialisten aus Deutschland mitentwickelt haben und durch seine Einfachheit besticht.

Weil in dem kriegszerrütteten afrikanischen Land kaum Technik und Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen, kamen Funkgeräte, Holzleisten, Fahrräder und ein wenig rituelle Beschwörung zum Einsatz. Die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Münchener-Rück-Stiftung haben zusammen mit Fachleuten aus Honduras und Mosambik das Warnsystem für die Ufer des Buzi entwickelt. Der Fluss fließt quer durch Mosambik und ist etwa so groß wie die Donau.

Dörfer bestimmen selbst die Zuständigen

Am 20. Februar erhielt die Regierung der mosambikanischen Provinz Buzi die Warnung vor dem herannahenden Wirbelsturm. Früher wäre den Verantwortlichen nichts anderes übrig geblieben, als auf gut Glück Rettungsmannschaften in die entlegenen Regionen am Unterlauf des Flusses zu schicken. Diesmal aber haben die am Stromlauf verstreuten Dörfer selbständig die Evakuierung veranlasst, berichtet die GTZ. Die Bewohner waren von Dörfern am Oberlauf des Flusses vor den Fluten gewarnt worden.

Entlang von acht Zuflüssen des Buzi lesen eigens dafür zuständige Bewohner täglich den Wasserstand an farbig markierten Messleisten im Fluss ab. Die Dorfgemeinschaften haben selbst bestimmt, wer für Regen- und Flusspegelmessungen zuständig sein soll; einheimische Meteorologen erklärten ihnen das notwendige Fachwissen. In feierlichen Zeremonien wurden Medaillen und Trikots verliehen, um die Bedeutung des Amtes zu unterstreichen. So konnte der Ableser in der Ortschaft Goonda erkennen, dass der Flusspegel am 23. Februar auf alarmierende fünf Meter angeschwollen war.

Auch die Regen-Kontrolleure am Oberlauf wurden fündig. Die Regen-Messbecher der Dörfer stehen auf umzäunten, mit Blumen umkränzten Steinpodesten, die Ähnlichkeit mit einer Gedenkstätte haben. Oft verfolgen neugierige Schulkinder das Geschehen, wenn der Ableser zum Regenmessbecher schreitet, berichtet Wolfgang Stiebens, Mitarbeiter der GTZ in Mosambik.

Am 23. Februar dürften die Verantwortlichen jedoch keine Zeit für ein Schwätzchen mit den Kindern gefunden haben. In Goonda beispielsweise erkannte der Ableser, dass binnen weniger Stunden 25 Zentimeter Regen gefallen waren. Es war höchste Zeit, die Landsleute am Unterlauf des Flusses zu warnen.

Solarbetriebene Funkgeräte

Dazu musste der Verantwortliche in das einzige gemauerte Gebäude des Dorfes eilen, wo ein Funkgerät installiert ist. "Das Funkgerät wird mit Sonnenenergie betrieben", erläutert Wolfgang Stiebens. Der Warnbeauftragte funkte die ermittelten Daten ins Alarmzentrum der Distrikthauptstadt Buzi. Am selben Tag meldeten fast alle Dörfer am Oberlauf starke Regenfälle und Hochwasser. Die Verantwortlichen in der Zentrale in Buzi riefen umgehend den Notfall aus. Es war zu befürchten, dass das Wasser im Unterlauf des Buzi zur Flutwelle anschwillt. Per Funk ging der Alarm an die Dörfer am Unterlauf.

Dort spulten die Bewohner das Evakuierungsprogramm ab, das sie im vergangenen Jahr vorsorglich geübt hatten: Zunächst wurden Warnflaggen gehisst. Dann machten sich Jugendliche mit dem Fahrrad, einem kostbaren Verkehrsmittel in Mosambik, auf den Weg, um mit dem Megaphon auch abgelegene Hütten vor dem Hochwasser zu warnen. Die Distriktregierung habe kaum eingreifen müssen, alle Menschen seien rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden, sagt Stiebens. Lediglich von einem ertrunkenen Mann werde berichtet. Er sei zu seiner Hütte zurückgekehrt, um seine Habe zu retten. An manchen Orten riss jedoch der starke Wind Menschen in den Tod.

Die Schäden in der Region sind beträchtlich, die Fluten haben Siedlungen und Felder zerstört. Noch immer leben Tausende in Notzelten, viele hätten noch keine Hilfe erhalten, erklären Hilfsorganisationen. Um den Leuten eine neue Lebensgrundlage zu geben, müssten Saatgut und Werkzeuge beschafft werden. Sobald das Hochwasser aber zurückgehe, könnten die Bauern sofort ihre Gewächse wieder anpflanzen.

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