Der Tokeh jagt in der Nacht. Wenn es ums Fressen geht, ist dieser rot getüpfelte Gecko nicht wählerisch: Moskitos, Fliegen, Asseln, Kakerlaken - was dem Reptil vor die Schnauze springt, das schnappt er sich. Und er packt auch schon mal größere Beute wie Ratten und Schlangen, wenn er sie überwältigen kann. Auf der Jagd helfen ihm ganz besondere, mit feinsten Härchen besetzte Zehen, um die ihn jeder zweibeinige Extremkletterer beneiden dürfte. Damit kann er auch senkrechte Wände hinauf und hinunter flitzen, um seine Beute zu fassen.
Für den von Krabbeltieren belagerten Menschen in tropischen Ländern sind Geckos eigentlich ein Segen, weil sie das Ungeziefer in Schach halten und auch jene stechenden Quälgeister, die lebensgefährliche Krankheitserreger wie Malaria oder Dengue in sich tragen. So gesehen gibt es wenig Grund, weshalb Geckos die Nähe der Menschen fürchten müssten. Aber beim Tokeh ist es nun anders. Der getüpfelte Jäger wird selbst wie kein anderer seiner Verwandten gejagt.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der beiden Organisationen Traffic und World Wildlife Fund (WWF). Die Naturschützer betrachten den Handel mit Geckos in Südostasien demnach mit "extremer Sorge". Dass die Menschen dem bis zu 40 Zentimeter großen Gecko nun so oft zu Leibe rücken, liegt an einem wissenschaftlich nicht belegbaren Glauben, dass ein Extrakt des Reptils schwere Krankheiten heilt. Zuletzt verbreitete sich vor allem die Vorstellung, dass diese Mittel aus getrockneten Geckos sogar HIV und Aids besiegen können. Aber auch als Mittel gegen Asthma, Diabetes und bei Hauterkrankungen kommt es zum Einsatz.
Das macht das Reptil zu einem besonders begehrten Tier. Noch ist der Gecko, der seinen lautmalerischen Namen dem penetranten Ruf der Männchen zu verdanken hat, im südlichen Asien weitverbreitet. Sein Lebensraum erstreckt sich von Indien nach Osten bis zur Inselwelt Indonesiens. Aber das, warnt der WWF, könnte sich bald ändern, wenn sich die hohe Nachfrage über einen längeren Zeitraum hält. Zwar werden Geckos auch gezüchtet, vor allem im südlichen China und in Vietnam. Aber dieser Anteil ist sehr gering. Fast alle Tiere, die in den Handel gelangen, werden wild gefangen. Diese Geckos sind sehr anpassungsfähig, sie kommen ursprünglich aus den Wäldern, können aber auch in großen Städten wie Bangkok überleben.
Rückgang der Population bereits zu beobachten
Zu welch verheerenden Auswirkungen der Glaube an die medizinischen Kräfte bestimmter Körperteile von Tieren führt, lässt sich an der Jagd auf bedrohte Tierarten wie das Breitmaulnashorn in Afrika oder den Tiger in Asien erkennen. Von Geckos hört man nicht viel, was auch daran liegen mag, dass der Handel mit großen Säugetieren weit mehr Emotionen bei den Menschen weckt als die Jagd auf kleine Reptilien.
Gleichwohl beklagt Traffic, dass der internationale Handel mit Tokeh-Geckos kolossale Ausmaße angenommen habe. Allein nach Taiwan sind demnach im vergangenen Jahrzehnt mindestens 15 Millionen getrocknete Geckos importiert worden. 70 Prozent kommen aus Thailand, dort ist der lokale Handel laut WWF legal, für den Export wird eine Lizenz benötigt. Der Rest stammt vermutlich aus Indonesien, ein Land, wo der Handel mit toten Geckos verboten und der mit lebenden Tieren stark beschränkt ist.
Die Organisation verweist auf eine beschlagnahmte Lieferung aus Indonesien im Jahr 2011, die für Hongkong bestimmt war und fast sieben Tonnen umfasste. Das dürften etwa 1,2 Millionen getrocknete Tiere sein. Erlaubt ist pro Jahr nur der Handel mit 50 000 lebenden Tokehs für den Haustier-Markt. Besonders beliebt sind sie in Europa und den USA. Wer allerdings nicht aufpasst im Umgang mit den Tieren, kann sich schmerzhafte Bisse zuziehen.
Offenbar ist der Glaube in die Heilkraft der Geckos so stark, dass er auch in der Diaspora lebendig bleibt. So fanden Forscher heraus, dass in den Jahren 1998 bis 2004 mindestens 8,5 Tonnen getrockneter Geckos in die Vereinigten Staaten gelangten, offenbar um die Nachfrage der dort lebenden asiatischen Auswanderer zu stillen.
Laut Traffic ist ein Rückgang der Gecko-Populationen in einigen Gegenden von Bangladesch, Thailand, Indonesien und China schon zu beobachten, aber der genaue Umfang des Handels und seine Auswirkungen seien noch unzureichend erforscht. Auf den Listen des Washingtoner Artenschutzabkommens (Cites) befindet sich der Tokeh noch nicht, aber womöglich wird er dort noch landen, wenn dem Handel keine weiteren Schranken auferlegt werden.