Psychologie:Statussymbole als Selbstbestätigung: Seht her, ich bin nicht nur schön

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Die Zutaten der Schönheit liegen für manche Menschen vor allem in den Edelboutiquen. (Foto: Stephan Rumpf)

Wer sich schön findet, neigt offenbar stärker zu materialistischen Einstellungen. Das liegt daran, dass sich Schönheit erst im Vergleich mit anderen etabliert und daraus ein besonderer Konkurrenzdruck entsteht.

Von Sebastian Herrmann

Die folgende Faustregel gilt in fast allen großen Städten: Dort, wo sich Läden mit besonders teuren Waren konzentrieren, sind auch auffällig viele auf grelle Weise attraktive Menschen anzutreffen. Sie stöckeln an Boutiquen vorüber, parken ihre teuren Autos im Halteverbot, ziehen Blicke und Neid auf sich und tragen höchstpreisige Dinge mit sich herum, die sie in den bereits erwähnten Läden erworben haben. Hier sind also jene Menschen anzutreffen, die meist mit dem Klischee-Begriffspaar „die Reichen und die Schönen“ beschrieben werden. Wer Innenstädte meidet, weil sein Leben ohnehin am und im Smartphone stattfindet, trifft diese Menschen in deutlich größerer Anzahl auf Instagram an. Auch hier gilt: Grelle Schönheit und greller Konsum führen eine stabile Paarbeziehung.

Dazu passend haben gerade Xiaoyue Zhao und Baoyan Yang von der chinesischen Northwest Normal University eine Studie im Fachjournal Personality and Individual Differences publiziert, in der sie einen Zusammenhang zwischen Schönheit und Konsumeifer herstellen. Wer sich selbst als attraktiv empfindet, so das Ergebnis der Arbeit, neige stärker zu einer materialistischen Einstellung. Der entscheidende Faktor dabei sei der Hang zu sozialem Vergleich, argumentieren die Psychologen. Attraktivität sei schließlich kaum oder keinen objektiven Kriterien unterworfen, sondern etwas, das durch den Vergleich mit anderen Menschen etabliert werde. Wer sich selbst also als attraktiv empfinde, so die Psychologen weiter, stehe damit in besonderer Konkurrenz zu anderen, die noch schöner sein könnten und einem den Rang ablaufen.

Aus diesen Zutaten speist sich der Drang permanenter Selbstvergewisserung, den schöne Menschen unter Umständen noch stärker empfinden als jene, die ihr Äußeres eher ungern zur Schau tragen. Konsumgüter können dabei offenbar dazu beitragen, sich der selbst empfundenen, fragilen Attraktivität und des damit verbundenen sozialen Status zu vergewissern beziehungsweise diesen auszustellen: Seht her, ich bin nicht nur schön, ich kann mir auch teure Luxusgüter leisten.

Konsum als Kompensationsstrategie

„Traditionell wird Materialismus als Kompensationsstrategie für ein schlechtes Selbstbild oder ein geringes Selbstwertgefühl betrachtet“, schreiben Xiaoyue Zhao und Baoyan Yang. Vordergründig scheint dies im Widerspruch zu der Aussage zu stehen, wonach selbst empfundene Attraktivität ebenfalls mit einem erhöhten Hang zu Konsum einhergehe. Doch beides – ein geringer Selbstwert und selbst empfundene Schönheit – hänge maßgeblich mit einem starken Bedürfnis nach externer Bestätigung zusammen, argumentieren die Psychologen. Von sich selbst beschwipste Schönheiten und Schönlinge tragen auch eher Symbole ihres Status und ihrer sozialen Dominanz vor sich her, haben Studien gezeigt, auf die Xiaoyue Zhao und Baoyan Yang verweisen. Und da seien Konsumgüter von hohem Wert eine Währung, mit der sich Selbstvergewisserung erwerben lässt.

Für die Studie mit insgesamt etwas mehr als 1000 Teilnehmern manipulierten die Forscher das Selbstbild der Probanden. Anschließend überprüften Xiaoyue Zhao und Baoyan Yang das Interesse der Studienteilnehmer an materiellen Dingen. An einem zweiten Versuch nahmen Probanden teil, die sich selbst explizit als attraktiv empfanden. Eine Hälfte der Teilnehmer wurde anschließend in ihrem Selbstbild bestätigt, während die zweiten 50 Prozent keine Intervention erhielten. Dann testeten die Psychologen den Hang der Teilnehmer zu materialistischen Einstellungen. Diese war unter jenen Probanden geringer ausgeprägt, deren Selbstbild zuvor ein wenig gesalbt worden war und die einen entsprechend geringeren Drang nach Selbstbestätigung verspürten. Dieser Zusammenhang ist auch aus anderen Studien bekannt: Zuvor erfahrene Selbstbestätigung dämpft den Wunsch nach unvernünftigen Konsumprodukten zugunsten weniger abgehobener Alternativen.

Am Ende bleibt also die Nachricht: Die Schönen und die Reichen kämpfen ebenfalls damit, dass sie so wahnsinnig gerne toll gefunden werden wollen. Und weil sie sich mit anderen sehr schönen und sehr reichen Menschen vergleichen, haben sie auch einiges zu kompensieren.

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