Husten, Schnupfen, Heiserkeit, dazu Kopf- und Gliederschmerzen. Gefährlich sind diese Symptome nicht, dennoch sind Erkältungsleiden lästig. Sie plagen die Menschen immer wieder und führen zu Krankschreibungen und Verdienstausfällen. Zweimal im Jahr erwischt es Erwachsene in Deutschland durchschnittlich, Kinder sind weitaus häufiger betroffen. Doch bisher schien gegen grippale Infekte kein Kraut gewachsen zu sein. Mit Arzt dauert eine Erkältung eine Woche, ohne sieben Tage, lautete die allgemeine Einschätzung.
Zwar ist in der kalten Jahreszeit gefühlt die Hälfte der Apothekenregale vollgepackt mit Hustensäften, Halsschmerztabletten und Schmerzdämpfern. Mindestens so groß wie das pharmakologische Arsenal ist die Palette der Naturheilmittel. Und jede Familie schwört auf ihre überlieferten Hausmittel.
Doch die Krankheit verkürzen oder verhindern all diese Behandlungen nicht, sie lindern bestenfalls die Symptome. Eine lange als fragwürdig gehandelte Therapie kann jedoch offenbar mehr, als Mediziner bisher vermutet haben. Zinkpräparate sind einer großen Untersuchung zufolge in der Lage, die Dauer einer Erkältung zu verkürzen; zudem fallen die Beschwerden nicht so heftig aus.
Meenu Singh und sein Team vom medizinischen Forschungsinstitut im indischen Chandigarh haben für einen Cochrane-Review (online), der am heutigen Mittwoch erscheint, Daten von mehr als 1360 Studienteilnehmern ausgewertet. Übersichtsarbeiten des Cochrane-Netzwerks gelten als besonders aussagekräftig, weil dafür die methodisch hochwertigsten Untersuchungen akribisch analysiert und zusammengefasst werden. "Unsere Daten zeigen, dass Zink bei Erkältungen wohl hilfreich ist", sagt Singh. "Trotzdem ist es schwer, allgemeine Empfehlungen zu geben, da wir die optimale Dosis und auch die beste Darreichungsform noch nicht kennen."
In der Untersuchung hat sich gezeigt, dass zinkhaltige Lutschtabletten, Kapseln oder Säfte, die am ersten Tag der Symptome genommen wurden, die Erkältung wirkungsvoll bekämpften. Nach sieben Tagen waren die Beschwerden geringer ausgeprägt als in der Vergleichsgruppe, die ein Scheinpräparat bekam. Wenn Kinder fünf Monate oder länger Zinkpräparate einnahmen, litten sie seltener an Erkältungen, fehlten nicht so oft in der Schule und benötigten weniger Antibiotika.
"Es gibt Hausärzte, die schon immer von Zinkpräparaten überzeugt waren und sie empfohlen haben", sagt Ferdinand Gerlach, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). "Die dürfen sich jetzt bestätigt fühlen, auch wenn ich nicht dazu gezählt habe." Dass unklar ist, welche Menge Zink am besten hilft und ob Tabletten oder Säfte wirkungsvoller sind, hält Gerlach hingegen für ein Problem, "insofern bleibt eine gewisse Unsicherheit". Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat Tagesmengen von 5bis 15 Milligramm empfohlen, bei mehr als 100 Milligramm kann es zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kommen.
Zink kommt in der Nahrung besonders in Fleisch und Fisch, Käse, Vollkorn, Nüssen und Pilzen vor. Während Zink in der Industrie vor allem als Rostschutz und in Batterien verwendet wird, ist es im Körper an zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt. In vielen Enzymen ist es enthalten, zudem ist es für den Hormonaufbau sowie das Immunsystem notwendig und hemmt offenbar die Vermehrung von Erkältungsviren.
Dass es über die optimale Anwendung der Zinkpräparate kaum gesicherte Erkenntnisse gibt, wundert Ferdinand Gerlach nicht. "Es ist erfreulich, dass wir zu Zink überhaupt Studien haben", sagt der Arzt, der das Institut für Allgemeinmedizin an der Universität Frankfurt leitet. "Für viele alltagstaugliche Mittel, die keinen Patentschutz haben, gibt es ja gar keine Untersuchungen."
Womöglich würden bei anderen Verfahren ähnlich überraschende Wirkungsnachweise bekannt - wenn denn nachgeschaut würde. Die dünne Datenlage zur Behandlung vieler Alltagsleiden zeigt das große Defizit in der Versorgungsforschung. "Wir brauchen mehr Studien, in denen die breite Anwendung von Mitteln nach der Zulassung untersucht wird", fordert Gerlach. Viele Studien existieren in diesem Bereich nicht. Und von denen, die es gibt, sind die meisten wertlos, weil es sich um Auftragstexte der Pharmaindustrie handelt.