Schmetterlinge:"Es ist ein Jahrhundertereignis"

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Wie Zugvögel fliegen derzeit große Schwärme von Distelfaltern über Deutschland - so viele wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Robert Lücke

Angefangen hat es vor etwa zwei Wochen. In Bayern und Baden-Württemberg tauchten Tausende von Distelfaltern auf. Wie Zugvögel bewegten sich die braunrot-schwarz-weiß gefleckten Tiere nach Norden und Osten. Am 13. Mai erreichten sie Hessen, durchquerten Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen sowie Teile Ostdeutschlands und gelangten am 19. Mai nach Stralsund an der Ostsee.

Distelfalter, AP

Distelfalter sind ausdauernde Flieger.

(Foto: Foto: AP)

"Es ist ein Jahrhundertereignis", sagt Reinart Feldmann vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das seit vier Jahren in Deutschland das sogenannte Tagfalter-Monitoring koordiniert. Dabei zählen Schmetterlingsfreunde und Wissenschaftler zu bestimmten Zeiten in festgelegten Gebieten die Falter und melden die Daten. Seit über 50 Jahren hätten Insektenkundler keine derartigen Masseneinflüge mehr beobachtet.

Dass Distelfalter, die zur Gattung der Edelfalter gehören, von Südwest nach Nordost wandern, ist an sich nichts Ungewöhnliches. Die Tiere sind Wanderfalter und sind als exzellente und ausdauernde Flieger bekannt. Sie legen ihre Eier im Mittelmeerraum und in Nordafrika, wo die Raupen schlüpfen und sich verpuppen. Die Falter schlüpfen im zeitigen Frühjahr und machen sich dann auf den Weg nach Norden, weil sie in ihrer Heimat wegen der Dürre im Sommer keine Nahrung mehr finden.

Dass es in diesem Jahr ungewöhnlich viele Schmetterlinge sein würden, zeichnete sich bereits Ende März ab, als in Südspanien und Jordanien große Zahlen an Distelfaltern registriert wurden. Hierzulande wurden der Deutschen Forschungszentrale für Schmetterlingswanderungen (DFZS) in den vergangenen Wochen mehr als 300 Sichtungen mit jeweils mehr als 25 Distelfaltern gemeldet, in 98 Fällen wurden sogar jeweils mehr als 100 Falter beobachtet und immerhin 15 Meldungen beziehen sich auf mehr als 1000 Tiere an einem Ort innerhalb eines Tages. In einigen Alpentälern wurden riesige Schwärme mit Zehntausenden von Exemplaren beobachtet.

Das Verhalten der etwa tagpfauenaugen-großen Distelfalter erinnert an das von Zugvögeln. Allerdings scheint es in den Schmetterlingsschwärmen keine Ordnung oder Kommunikation zwischen den einzelnen Tieren zu geben.

Dass die Falter in diesem Jahr derart massenhaft auftreten hat wahrscheinlich verschiedene Gründe. "Im Winter und Frühjahr waren die Bedingungen in Nordafrika und entlang der französischen und italienischen Mittelmeerküste für die Raupen des Distelfalters ideal", sagt Feldmann. Es habe viel mehr geregnet als in den Jahren zuvor, so dass die Futterpflanzen der Raupen üppig wachsen konnten. Als Folge hätten viel mehr Raupen als sonst überlebt, so dass auch mehr Falter schlüpften als sonst.

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