Schmerzforschung:Den Juckreiz wegkratzen

Bloß nicht kratzen! Die alte Weisheit muss einer Studie von Neurowissenschaftlern zufolge überdacht werden.

Christina Merkel

"Nicht kratzen, das macht es nur noch schlimmer", sagen Mütter zu ihren Kindern, wenn diese den Juckreiz nach einem Mückenstich mit den eigenen Fingernägeln zu lindern versuchen. Dem Wunsch zu kratzen widerstehen dann nur wenige - laut amerikanischen Neurowissenschaftlern zu Recht. Das Team um Steve Davidson und Glenn Giesler vom Department of Neuroscience der University of Minnesota fand heraus, weshalb der leichte Schmerz des Kratzens tatsächlich gegen das Jucken hilft (Nature Neuroscience, online).

Wenn es juckt, ist der Gehalt an dem Gewebshormon Histamin in der Haut erhöht. Dieser Botenstoff ist auch in den Härchen von Brennesselblättern und den Fangarmen mancher Quallenarten enthalten und führt beim Kontakt zu den bekannten unangenehmen Hautreaktionen.

Dass in der Haut etwas los ist, übermitteln Nerven des Rückenmarks an die Großhirnrinde des Gehirns. Wenn aber auf derselben Hautpartie Schmerz auftritt, eben beispielsweise durch Kratzen, blockiert dieser die Aktivität der zuständigen Nervenzellen im Rückenmark. Weil es für das Gehirn wichtiger ist, vom Schmerz zu wissen als vom Juckreiz, übertüncht der Schmerzreiz das lästige Jucken.

Allerdings nur für den Moment. Sobald man aufhört zu kratzen, tut das Histamin wieder seine Wirkung. Mutters Rat stimmt daher in vielen Fällen - etwa wenn das Jucken durch chronische Krankheiten, Wunden, Narben oder Parasiten verursacht wird. Kurzes Kratzen ist erlaubt. Wer aber so lange kratzt, dass er seine Haut verletzt, macht alles nur noch schlimmer. Zum einen jucken die Wunden, wenn sie dann abheilen, noch zusätzlich. Zum anderen können Bakterien durch die verletzte Haut ins Gewebe eindringen und dort zu einer Entzündungsreaktion führen. Dann juckt es erst recht.

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