Süddeutsche Zeitung

Nutztiere:Schlittenhunde gab es schon vor Jahrtausenden

Schon vor Jahrtausenden haben Menschen in der Arktis Schlittenhunde gezüchtet. Sie waren wichtig für das Überleben in der Kälte.

Von Astrid Viciano

Ohne die Tiere wäre die Arktis wohl ewig eine weiße Fläche auf der Landkarte der Menschheit geblieben. Erst Schlittenhunde, ungewöhnlich robust und kräftig, machten es möglich, die kalten Landschaften zu durchqueren, und das bereits vor mehreren Jahrtausenden, so berichtet es ein internationales Forscherteam um den Genetiker Mikkel-Holger Sinding von der Universität Grönland in Nuussuaq im Fachblatt Science. "Sie waren für die Menschen überlebenswichtig", sagt der Wissenschaftler.

Zunächst haben sich Sinding und Kollegen anhand von Genanalysen angesehen, wann die ersten an die Arktis angepassten Schlittenhunde entstanden. Dafür hatten sie DNA aus dem Unterkiefer eines Vierbeiners einer archäologischen Fundstätte auf der Insel Schochow nördlich von Sibirien gewonnen. Wie sie herausfanden, waren die Überreste etwa 9500 Jahre alt. Diese Gensequenzen verglichen sie dann mit dem Erbgut von zehn heutigen Schlittenhunden aus fünf verschiedenen Regionen Grönlands sowie mit jenem eines 33 000 Jahre alten sibirischen Wolfs aus dem Pleistozän und schließlich mit dem Genom weiterer 114 Hunderassen.

Zu ihrem Erstaunen stellten sie fest, dass die heutigen Schlittenhunde Grönlands direkt von dem 9500 Jahre alten Vorfahren abstammen. Das betrifft Rassen wie die heutigen alaskischen und sibirischen Huskys oder den alaskischen Malamut. Wie Sinding und Kollegen mithilfe der Genanalysen herausfanden, hatten die Menschen die Schlittenhunde über Jahrtausende hinweg gezüchtet und offensichtlich streng darauf geachtet, dass sich die Tiere nicht mit anderen Hunderassen oder gar mit Wölfen kreuzten.

So fanden die Wissenschaftler zwar noch genetische Gemeinsamkeiten mit dem sibirischen Wolf aus dem Pleistozän, jedoch nicht mit den später in der Entwicklungsgeschichte auftauchenden amerikanisch-arktischen Wölfen.

Die Genvarianten der heutigen Schlittenhunde könnten schon vor 9500 Jahren entstanden sein

"Alles deutet darauf hin, dass die für moderne Schlittenhunde entscheidenden Genvarianten bereits vor 9500 Jahren entstanden und durch die Züchtung beibehalten wurden", sagt Sinding. Es sind Genvarianten, die den Vierbeinern schon damals eine Anpassung an die extremen Klimabedingungen der Arktis ermöglichten.

So fanden die Genetiker in modernen Schlittenhunden wie auch in ihrem Vorfahren fast die gleichen Varianten in Genabschnitten, die bei der Temperaturempfindlichkeit, körperlichen Ausdauer und womöglich dem Schmerzempfinden eine Rolle spielen. Auch zeigten sich Genvarianten, die den Tieren eine Umstellung von einer kohlenhydratreichen Ernährung auf eine fettreiche ermöglichten. "Damit sehen wir, wie wichtig die Eigenschaften dieser Tiere seit Jahrtausenden für die Menschen sind", sagt Sinding.

Der Genetiker arbeitet auch im dänisch-grönländischen QIMMEQ-Projekt mit, das sich der Geschichte der Schlittenhunde widmet und sich für deren Erhalt einsetzt. Seit Jahrzehnten schrumpft die Zahl der Tiere, weil zunehmend Motorfahrzeuge eingesetzt werden. Heute gebe es nur noch etwa 15 000 Hunde, sagt Sinding, viele Siedlungen besitzen nur noch wenige Hunde. "Die Inzucht mit all ihren gesundheitlichen Folgen ist hier ein großes Problem", sagt der Forscher. Er hoffe, dass seine aktuelle Studie das Interesse für das Schicksal der Schlittenhunde wecken wird.

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