Artenschutz:Straßenbau tötet Schimpansen

Artenschutz: Schimpansen überqueren in Bossou, Guinea, eine Straße.

Schimpansen überqueren in Bossou, Guinea, eine Straße.

(Foto: Kimberley Hockings)

Der Ausbau der Infrastruktur schadet den Primaten viel mehr als bisher angenommen. Doch darauf zu verzichten, ist keine Option. Gibt es eine Lösung des Dilemmas?

Von Tina Baier

Schimpansen waren im Westen Afrikas einst weitverbreitet, doch in den vergangenen zwanzig Jahren ist ihre Zahl dort um 80 Prozent zurückgegangen. Schätzungen zufolge gibt es weltweit nur noch etwa 35 000 Westafrikanische Schimpansen. Der dramatische Schwund hat viele Gründe, aber fast alle haben mit dem Menschen zu tun. Ein Team um den Biologen Balint Andrasi von der britischen University of Exeter hat der langen Liste von Ursachen, die den Schimpansen zu schaffen machen und ihr Überleben gefährden, jetzt eine weitere hinzugefügt: den Bau von Straßen.

"Es ist das erste Mal, dass der Einfluss des Straßenbaus mithilfe eines analytischen Ansatzes untersucht wurde, und das Ergebnis ist schockierend", sagt die britische Artenschützerin Kimberley Hockings, die an der Studie im Wissenschaftsjournal Conservation Letters beteiligt war. Die Untersuchung zeigt, dass Schimpansen Straßen nicht nur meiden und deshalb seltener in ihrer Nähe anzutreffen sind als anderswo, sondern dass die Wege auch massiv die Zahl der Primaten reduzieren.

Um das herauszufinden, kombinierten die Wissenschaftler Daten zur Populationsdichte der Westafrikanischen Schimpansen in ihrem Verbreitungsgebiet in Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, Liberia, Mali, Senegal und Sierra Leone und kombinierten sie mit Informationen zum Straßennetz in diesen Ländern.

Noch im Umkreis von mehr als 17 Kilometern war der Schaden nachweisbar

Der negative Einfluss großer Straßen war demnach noch in einem Umkreis von 17,2 Kilometern nachweisbar, der von kleinen Straßen in einem Umkreis von 5,4 Kilometern. Das bedeute, dass nur rund vier Prozent des Verbreitungsgebiets des Westafrikanischen Schimpansen nicht betroffen seien, schreiben die Wissenschaftler. "Der Einfluss des Ausbaus von Infrastruktur ist viel größer, als ich erwartet hätte, und das ist wirklich ein Grund zur Sorge", sagt Hockings. Die Schimpansen scheinen demnach besonders empfindlich auf die Infrastruktur zu reagieren, bei anderen Säugetier-Arten sind die schädlichen Folgen großer Straßen nur in einem Umkreis von fünf Kilometern nachweisbar.

Warum das so ist, können die Forscher nur vermuten. Vergleichsweise gering dürfte für Schimpansen die direkte Gefahr sein, die für alle Wildtiere von Straßen ausgeht, nämlich überfahren zu werden. Viel dramatischer sind wahrscheinlich indirekte Folgen des Straßenbaus. Straßen machen zuvor unberührte Regionen zugänglich für menschliche Aktivitäten, wie Bergbau oder Landwirtschaft. Als Konsequenz werden häufig Wälder abgeholzt, in denen die Primaten leben. Mehr als vier Fünftel des Waldes sind in Westafrika seit Anfang des Jahrtausends auf diese Weise verloren gegangen.

Auch Jäger haben es in einem durch Straßen erschlossenen Gebiet leichter. Zwar sind Schimpansen streng geschützt und dürfen offiziell weder gefangen, gehandelt noch getötet werden. Trotzdem blüht der Verkauf von sogenanntem Buschfleisch, das längst nicht mehr nur von den Menschen vor Ort verzehrt, sondern über weite Strecken auch in die Städte transportiert und dort verkauft wird. Dazu kommt, dass Schimpansen sich nur langsam vermehren. Weibchen bekommen erst im Alter von etwa 14 Jahren zum ersten Mal Nachwuchs. Fast immer ist es ein einziges Junges, das bis zu fünf Jahre lang gesäugt wird.

Den Autoren ist klar, dass es angesichts einer stark wachsenden Bevölkerung in Westafrika vollkommen illusorisch ist, den weiteren Ausbau der Infrastruktur zu verbieten. Umso wichtiger ist es ihrer Ansicht nach, wenigstens die Kontrollen entlang der Straßen zu verschärfen und so den Handel und die Jagd auf Schimpansen zu erschweren.

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