Im Südatlantik, zwischen Argentinien und Südafrika, liegt eine kleine Insel namens Inaccessible Island. Vom Meer aus sieht sie aus wie eine Festung mit vierhundert Meter hohen Mauern. Unzugänglich, unbewohnt und daher ideales Gebiet für Forscher, die wissen wollen, wie viel Müll im Meer treibt. Während einer zweimonatigen Expedition im vergangenen Jahr sammelten der südafrikanische Vogelkundler Peter Ryan und Kollegen dort entlang eines etwa einen Kilometer langen Küstenstreifens über fünf Tonnen Plastikmüll. Darunter waren auffällig viele Wasserflaschen aus chinesischer Produktion.
Während einer früheren Expedition im Jahr 2009 hatten Forscher 3515 weggeworfenen Gegenstände aus Plastik gefunden, kleine Partikel nicht mitgezählt, darunter über Bord gespülte Kisten von Fischtrawlern, Netze, Eimer, Helme, Schiffsteile und eben Plastikflaschen - damals zur Hälfte asiatischen und südamerikanischen Ursprungs. 2018 stießen Ryan und sein Team auf 8084 Müll-Teile. Der zahlenmäßig mit 75 Prozent größte Teil davon: Plastikflaschen aus China.
Mikroplastik:Fasern auf großer Fahrt
Aus Waschmaschinen geraten erhebliche Mengen Mikroplastik in die Umwelt. Vor allem Kleidung aus Fleece-Stoffen gibt die Teilchen ab. Dabei ließe sich das Problem technisch lösen.
Ihre Ergebnisse legen die Umweltforscher in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals PNAS dar. Bisher sei man davon ausgegangen, der größte Teil des Plastiks in den Meeren gelange über Flüsse vom Festland aus hinein. Doch die Beobachtungen deuten nun darauf hin, dass wahrscheinlich Schiffe, die illegal ihren Müll über Bord entsorgen, zum Müllproblem im Südatlantik beitragen.
Verstoß gegen das MARPOL-Übereinkommen
Die Forscher konnten auf Müll-Analysen aus den 1980er Jahren zurückgreifen, die darauf schließen lassen, dass der Müll damals tatsächlich vom südamerikanischen Festland über Jahre Tausende von Seemeilen bis zur Inaccessible Island reiste. Die im vergangenen Jahr gefunden Flaschen waren laut Prägung jedoch größtenteils vor weniger als drei Jahren hergestellt worden. In dieser Zeitspanne könnten die Flaschen niemals von China in den Südatlantik getrieben sein, argumentieren Ryan und sein Team. Demnach müssten Schiffe den Müll in die Region gebracht und damit gegen das Internationale Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL) verstoßen haben.
Die Studie gibt damit Hinweise auf eine bislang womöglich unterschätzte Quelle und zeigt deutlich, dass die treibende Müllmenge wohl insgesamt drastisch zugenommen hat. Wer genau dafür verantwortlich ist, wird sich jedoch kaum nachvollziehen lassen. "Anders als bei Ölverschmutzungen, die eine spezifische chemische Signatur aufweisen, lässt sich Müll in den Ozeanen nur in den allerwenigsten Fällen auf einen konkreten Verursacher zurückführen", sagt Lars Gutow, Ökologe vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. "Dies wäre wahrscheinlich nur durch Beobachter an Bord der Schiffe möglich." Satellitenbilder können nicht helfen, da Schiffe keine quadratkilometergroßen Müllteppiche hinter sich herziehen.
Dass Schifffahrt und Fischfang einen großen Teil zur Meeresverschmutzung beitragen, wird bereits länger vermutet. In den Ozeanen bilden sich in vielen Gebieten riesige Müllstrudel, in denen zerfetzte Netze genauso treiben wie Eimer, Folien, Kisten, Tüten und Flaschen. Auch die Offshore-Ölförderung trägt einen wesentlichen Anteil zum Treibgut an den Stränden bei. "Ein verstärktes Aufkommen von PET-Flaschen aus Asien im Süd-Atlantik mit nachweisbarer Produktion der Flaschen in den letzten zwei bis drei Jahren deutet tatsächlich darauf hin, dass hier das MARPOL-Abkommen, das eine Entsorgung von jedwedem Plastikmüll auf offener See verbietet, nicht eingehalten wird", sagt der Ozeanograf Jörg-Olaf Wolff von der Universität Oldenburg.
Nun mit dem Finger auf die chinesische Fisch- und Handelsflotte zu zeigen, wäre jedoch voreilig. Denn auch europäische, amerikanische und Schiffe anderer Nationen kaufen beim Andocken in China lokales Wasser. Dementsprechend wird es schwierig sein, die Schuldigen zu finden. Die über 150 MARPOL-Vertragsstaaten sind rechtlich verantwortlich dafür, dass Schiffe unter ihrer Flagge Plastikabfälle nicht illegal ins Meer kippen.