Schädling bedroht Afghanistan:Invasion der Pilze

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Ein verheerender Weizenschädling erreicht Afghanistan. Er bedroht nicht nur die Ernährung der Menschen, sondern auch die Bemühungen, das Land politisch zu stabilisieren.

Tina Baier

Wieder einmal bedroht eine Invasion Afghanistan. Diesmal heißt der Feind Ug99. Das ist keine militärische Kampfeinheit, sondern der Name eines verheerenden Weizenschädlings. Ug99 ist weltweit berüchtigt dafür, innerhalb kürzester Zeit ganze Ernten zu vernichten. Wo der Schwarzrost-Pilz gewütet hat, bleiben auf den Feldern nur noch schwarze, tote Stängel zurück.

Der Getreideanbau in Afghanistan wurde gefördert. Der Schädling könnte die Bemühungen zunichte machen. (Foto: Foto:)

Ug99 habe bereits weite Flächen in Iran befallen und stünde nun an der Grenze zu Afghanistan, warnten Agrarwissenschaftler vergangene Woche in Kabul. "Fast alle afghanischen Bauern pflanzen Weizen an, entweder für den eigenen Bedarf oder um ihn zu verkaufen", sagte Mahmood Osmanzai vom International Maize and Wheat Improvement Center. "Eine Schwarzrost-Epidemie hätte dramatische Folgen."

Sporen fliegen von Land zu Land

Der Schwarzrost-Pilz ist ein alter Bekannter der Menschheit. Schon in biblischen Zeiten zerstörte er Ernten und löste Hungerkatastrophen aus. Noch 1954 vernichtete er fast die Hälfte der amerikanischen Weizenernte. Dann gelang es dem Agrarwissenschaftler Norman Borlaug, widerstandsfähige Weizensorten zu züchten, indem er eine natürlich vorkommende Resistenz aus Roggen auf Weizenpflanzen übertrug. Borlaug bekam dafür 1970 den Friedensnobelpreis. Das Problem schien gelöst zu sein. Bis zum Jahr 1999.

Da tauchte in Uganda eine Schwarzrost-Variante auf, gegen die Borlaugs Weizen nicht immun war: der Pilz Ug99 - dessen Name sich auf Ort und Zeit seines ersten Auftretens bezieht. Schnell eroberte Ug99 Kenia, Äthiopien und den Sudan. 2007 überquerte er das Rote Meer und fiel im Jemen ein, kurz darauf in Iran. Stets greift Ug99 aus der Luft an. Die Sporen des Pilzes werden mit dem Wind von Land zu Land getragen. Nach Schätzungen sind 90 Prozent der weltweit angebauten Weizensorten dem Angreifer schutzlos ausgeliefert.

Anfang des Jahres meldeten Forscher auf einer Konferenz in Mexiko einen Durchbruch. Sie hätten mehrere Weizensorten entwickelt, denen Ug99 nichts anhaben könne und die zudem höhere Erträge brächten als die meisten herkömmlichen Sorten. Im September, kurz bevor die Bauern in Afghanistan den Weizen für die nächste Saison säen, soll auf einer internationalen Konferenz in Kabul darüber beraten werden, ob und wenn ja wie viel dieser Ug99-resistenten Sorten in Afghanistan angebaut werden sollen.

Nach Ansicht von Richard Holbrooke, dem US-Sonderbeauftragten für Afghanistan, bedroht der Pilz nicht nur die Ernährung der Menschen, sondern auch die Bemühungen, das Land politisch zu stabilisieren. Die Zerstörung der für die Afghanen profitablen Mohnernten zur Herstellung von Heroin habe die Menschen in die Arme der Taliban getrieben, sagte Holbrooke. Deswegen verfolge man jetzt eine andere Strategie und fördere den Anbau von Getreide. Ziel sei es, etwa den Anbau von Weizen profitabler zu machen als den von Mohn. Wenn Ug99 aber den Weizen zerstört, wäre diese Taktik zum Scheitern verurteilt.

© SZ vom 06.08.2009/beu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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