Dunkelheit, rasende Winde und überall Staub: Mehr als 100 Menschen sind in Indien während eines Sandsturms ums Leben gekommen, der am Donnerstag über die Bundesstaaten Uttar Pradesh und Rajasthan fegte. Auch in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel sind zurzeit immer wieder Sandstürme zu beobachten - wenn auch mit weniger verheerenden Folgen. Was war an dem Wetterereignis in Indien so gefährlich? Und wie gehen Menschen damit um, wenn Sandstürme zum Alltag gehören? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie entsteht ein Sandsturm?
Voraussetzung sind weite trockene Flächen ohne Pflanzen oder andere Hindernisse. Hier kann ein Sturm seine volle Wirkung entfalten und kleine Körnchen aufwirbeln. Mit mindestens sieben Metern pro Sekunde muss der Wind dafür über den Boden wehen. Was dann durch die Luft treibt und den Himmel verdunkelt, ist tatsächlich gar kein Sand. "Der ist einfach zu schwer", sagt Jürgen Böhner, Geografie-Professor an der Uni Hamburg. Stattdessen handle es sich vor allem um sogenannten Schluff, der aus deutlich kleineren Körnchen besteht. Eigentlich müsste man von einem Staubsturm sprechen.
Wo treten solche Staubstürme auf?
Vor allem in Randregionen von Wüsten, wo der Boden besonders locker ist. Aber auch in Gebieten, die intensiv landwirtschaftlich genutzt werden, können größere Staubstürme entstehen. Ein Beispiel ist der Mittlere Westen der USA. Die Weizenanbauregion litt in den 1930er-Jahren unter Dürre, wurde deshalb von Sandstürmen geplagt und erlangte als "Dust Bowl", als Staubschüssel, Berühmtheit.
Zu einem Sturm mit dramatischen Folgen kam es 2011 in Deutschland: Mehr als 40 Fahrzeuge kollidierten damals in Mecklenburg-Vorpommern, weil Staub aufgewirbelt wurde und den Fahrern die Sicht nahm. Acht Menschen kamen ums Leben.
Warum war der Staubsturm in Indien besonders verheerend?
Das Wetterphänomen ist in Indien nicht außergewöhnlich. Doch diesmal ließen anhaltende Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit einen besonders heftigen Sturm entstehen. Mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 130 Kilometern pro Stunde - nach Angaben des indischen Meteorologischen Instituts wesentlich stärker als gewöhnliche Stürme - fegte er über den Norden des Landes. Dass mehr als 100 Menschen starben und mehr als 250 verletzt wurden, lag aber weniger am Staub. "Von Sand und Staub sterben Menschen nicht", sagt Jürgen Böhner. Es sei vielmehr die hohe Windstärke gewesen, die Mauern, Bäume und Strommasten zum Umstürzen brachte. Erschwerend kam hinzu, dass der Sturm die Region in der Nacht traf und viele Menschen im Schlaf überraschte.
Wie gehen die Menschen mit der Katastrophe um?
Die Nacht zum Freitag verbrachten Tausende Familien unter freiem Himmel. "Wir konnten nicht schlafen und hatten Angst, dass der Sturm wieder zuschlägt", zitiert die Nachrichtenagentur AFP den 40-jährigen Munna Lal Jha aus Agra. Die Angst mischt sich mit der Trauer um die Toten. Nach Tagesanbruch suchten Menschen unter den Trümmern ihre Habseligkeiten. Die indische Meteorologiebehörde warnt vor weiteren Stürmen in den kommenden Tagen.
Wie wirken sich Staubstürme auf den Alltag aus?
Das kommt vor allem auf die Windstärke an. Auf der arabischen Halbinsel etwa, wo zurzeit ebenfalls heftige Sandstürme wüten, kündigt sich das Phänomen durch stark steigende Temperaturen und große Trockenheit an. Bei schwächeren Stürmen kann man durchaus noch ins Freie gehen. Der Staub, so fein wie Mehl oder Backpulver, legt sich aber auf Kleidung und Haare und vor allem auf die Schleimhäute - man bemerkt ein stumpfes Gefühl im Mund. Schwere Sandstürme brechen wie die nahende Apokalypse mit einer manchmal kilometerhohen, rot-braun wirbelnden Wolkenfront herein, die fast alles Licht schluckt. Das Atmen ist in einem solchen Sturm kaum noch möglich. Die Menschen versuchen, sich in geschlossenen Räumen aufzuhalten, nicht nur wegen des Sandes, sondern auch, weil herumfliegende Gegenstände zur tödlichen Gefahr werden.