Das fertige Buch hat nun 50 Abschnitte vom "natürlichen Treibhauseffekt" über Vulkane, Methan- und Lachgasemissionen, Permafrost und Tourismus bis zum Ausblick. Die Texte sind kurz gehalten. "Aber es ist eine plakative Form auf hohem Niveau, weil die wichtigsten Stichworte da sind", sagt Anke Jentsch von der Universität Bayreuth, die ebenfalls zu den Helferinnen aus der Wissenschaft gehörte. Auch Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle hat das Projekt unterstützt.
Er hat die beiden Autoren zunächst mit Literatur zur Biodiversität versorgt. "Ich fand das Anliegen grundsätzlich sehr gut. Besonders, dass solch eine Initiative von studentischer Seite ausging, von Leuten, die das Gefühl hatten, dass die nötige Information nicht interessentengerecht vorliegt. Daher habe ich hier gerne unterstützt." Offenbar waren auch die Münchner Rückversicherung und die Elektrizitätswerke Schönau überzeugt, die das Projekt finanziell gefördert haben.
Auf allen Seiten sind neben den kurzen Texten einfache, aussagekräftige Grafiken zu sehen. Zum Beispiel werden die zu erwartenden Änderungen der landwirtschaftlichen Erträge - sie steigen erst leicht durch die Düngung mit Kohlendioxid und sinken dann deutlich wegen der zunehmenden Temperaturen - durch den Füllstand eines stilisierten Anhängers hinter einem Traktor dargestellt. Beim Abschnitt Permafrost brechen Pipelines, versinken Häuser und stürzen Bäume um. Wo es um die Biodiversität geht, schwirren Bienen, Schmetterlinge und Kolibris durch die Seiten.
Inhaltlich folgen die beiden Autoren dem Stand der Wissenschaft. Wo die Situation unklar oder verworren ist, wie beispielsweise bei der vermutlichen Entwicklung von Wirbelstürmen im Klimawandel, benennen sie die Probleme und Widersprüche. Jede Seite enthält in Fußnoten Verweise auf die Quellen der Aussagen. Praktisch jeder Satz ist so belegt - die Literaturangaben selbst finden sich auf der Webseite zum Buch. Am sprachlichen Ausdruck hätten Nelles und Serrer allerdings noch etwas feilen können. Der Satzbau ist oft recht monoton.
Über die Rolle, die ihr Buch in der Debatte über die Klimakrise spielen soll, haben die beiden Autoren klare Vorstellungen: "Uns ist bewusst, dass Wissen allein nicht zum Handeln führt", sagt Nelles. "Wissen ist aber die Grundlage, sein eigenes Handeln zu überdenken. Unserer Meinung nach fehlt dieses Hintergrundwissen in der Bevölkerung." Serrer ergänzt: "Mit unserem Buch machen wir klar, wie der Klimawandel uns hier in Europa betrifft. In den Medien wird meist immer wieder über dieselben Folgen wie den Meeresspiegelanstieg und die verhungernden Eisbären berichtet.
Für uns hier in Deutschland sind diese Auswirkungen zu weit entfernt, um anzufangen, das eigene Verhalten zu überdenken." Darum widmen sich zum Beispiel mehrere Seiten den möglichen gesundheitlichen Folgen in Deutschland, einschließlich der seelischen Leiden. Beide Autoren sind überzeugt, dass sich ihre Leser in einem zweiten Schritt Lösungen zuwenden, wenn sie im ersten Schritt das Problem besser verstanden haben. "Dazu möchten wir beitragen", ist ihr Ziel.
"Die Frage nach der Verantwortung wird irgendwann gestellt werden."
Im Bekanntenkreis der beiden hat das Umdenken jedenfalls schon eingesetzt. "Wir bekommen ständig Nachrichten von Freunden mit Fragen wie 'Stimmt das?' oder 'Was kann ich machen?', erzählt Nelles. Einzelne hätten schon begonnen, weniger zu fliegen oder Ökostrom zu nutzen. In Serrers Heimatort im Schwarzwald wusste kaum jemand von dem Buchprojekt. Doch unter seinen Freunden und Bekannten dort ist das Thema Klimawandel in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. "Inzwischen ist es manchmal schon so, dass sich die Fleischesser rechtfertigen müssen, nicht mehr die, die darauf verzichten", erzählt er.
Die Generation ihrer Eltern allerdings, haben David Nelles und Christian Serrer beobachtet, erlebe die Veränderungen durch die globale Erwärmung noch kaum als Klimakrise. Eine Einschränkung der ressourcenraubenden Lebensweise sei für viele kaum denkbar. "Wir haben trotzdem noch nie gehört, dass es Vorwürfe gegen die Älteren gibt", sagt Serrer. "Aber viele in unserem Alter sind frustriert, dass das Thema Klimawandel oft parteipolitisch zerredet wird. Viele wünschen sich, dass es ein universelles Thema ist." "Die Frage nach der Verantwortung", ergänzt Nelles, "wird irgendwann gestellt werden. Doch für unsere Generation gilt: Je schlimmer die Lage, desto größer die Motivation. Wir kennen viele junge Leute, die Lust haben, die Gesellschaft zu verändern."
Ihr persönlicher Weg, sagen die beiden, soll sie ihrer Studienrichtung gemäß in die Wirtschaft führen, in Firmen, die umweltfreundliche Produkte entwickeln und anbieten. "Wir haben das Thema jetzt verstanden", erklärt Serrer, "da können wir nicht sagen, nun soll mal jemand anders etwas machen."