Russlands Raumfahrt:Ohne Umweg ins All

Russland will einen eigenen Weltraumbahnhof für bemannte Flüge bauen, um nicht länger das Kosmodrom im kasachischen Baikonur pachten zu müssen. Vom Jahr 2015 an sollen die ersten Flüge von Wostotschnyj aus starten.

Sonja Zekri

Natürlich ist es teuer. Natürlich muss es jetzt ganz schnell gehen. In der Sowjetunion war die Raumfahrt schließlich ein Fundament imperialen Selbstbewusstseins, auch wenn die Heldentaten lange her sind:

RUSSIA-US-SPACE-TOURIST

Moskau pachtet derzeit das Kosmodrom im kasachischen Baikonur: Doch viele Anlagen des Weltraumbahnhofs rosten ungenutzt vor sich hin.

(Foto: AFP)

Der Sputnik-Flug liegt etwa 50 Jahre zurück, Juri Gagarins Triumph ebenso. Nun aber will der russische Premierminister Wladimir Putin einem Weltraumprojekt neuen Atem einhauchen, das erstmals vor zwei Jahren vorgestellt wurde: dem Weltraumbahnhof Wostotschnyj im Fernen Osten. 2008 bremste die Krise alle Ambitionen. Nun greift Russlands patriotischer Erneuerer wieder nach den Sternen.

Wie zu Gagarins Zeiten schwankt Wostotschnyj zwischen technischem Nachholbedarf und Größenwahn. In drei Jahren sollen 30.000 Arbeiter am Amur an der chinesischen Grenze das Kosmodrom hochziehen. 625 Millionen Euro will Putin dafür ausgeben.

"Am späten Abend, genauer nachts, noch genauer am frühen Morgen" habe er eine Anweisung für die Anschubfinanzierung unterzeichnet, zitiert ihn die russische Zeitung Kommersant.

Mit dem Geld sollen Abschussrampe und Landebahn gebaut werden, außerdem eine Fabrik für die Herstellung von flüssigem Sauerstoff, ein moderner Bahnhof, Kultureinrichtungen, dazu Hotels für künftige Weltraumtouristen: Wostotschnyj würde alle Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Standorts Russland ein- für allemal zerstreuen.

"Völlige Unabhängigkeit der russischen Weltraumtätigkeit"

Vom Jahr 2015 an sollen unbemannte Flüge vom neuen Weltraumbahnhof starten, wenige Jahre später bemannte. Russland müsse konkurrenzfähig bleiben, so Putin, und Wostotschnyj erlaube die "völlige Unabhängigkeit der russischen Weltraumtätigkeit".

Weltraumbahnhof Wostotschnyj

Der geplante Weltraumbahnhof in Uglekorsk.

(Foto: SZ-Karte)

Zwar unterhält Russland derzeit ein Kosmodrom in Plessezk im Norden, aber von dort können die großen Sojus-Raketen nicht starten. Derzeit heben diese vom Weltraumbahnhof Baikonur ab, den Moskau 1991 - nach dem Ende der Sowjetunion - bis 2015 für 116 Millionen Euro pro Jahr gepachtet hat. Mehr als ein Drittel aller Raumflüge weltweit sind 2009 in Baikonur gestartet. Russland ist Marktführer für Raumtransporte, für Amerika, Europa oder für die Internationale Raumstation ISS.

Und doch ist es ein steter Quell der Unzufriedenheit, dass Russlands einziger Weltraumbahnhof für bemannte Raumflüge im Ausland liegt - umso mehr, als vor einigen Jahren dieser in Gefahr zu sein schien. Kasachstan wollte die Starts verhindern, weil bei Pannen an den Triebwerken tonnenweise giftiger Raketentreibstoff ausgetreten war. Die alte Größe Baikonurs ist ohnehin geschwunden. Viele Areale der riesigen Anlage rosten ungenutzt dahin. Wostotschnyj nun soll zwar an die alte Bedeutung, aber nicht an alte Fehler anknüpfen, so Putin: "Es wird ein kompakter Komplex, weniger aufwendig als zur Sowjetzeiten."

Ein schöner Plan. Schon einmal dachte Moskau daran, alle Weltraummächte dieser Erde zu überrunden: Vor drei Jahren verkündete man den Bau eine besiedelten Mondstation. Bis heute aber ist der Mond menschenleer.

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