Der tote Punkt kann nach einer Stunde kommen oder nach eineinhalb. Aber genau dann, wenn der Jogger das Gefühl hat, er kann nicht mehr, läuft es auf einmal wie geschmiert: Ein plötzliches Hochgefühl, das "Runner's High", ist jedem Langstreckenläufer und so manchem Hobbyjogger ein Begriff.
Umstritten war bisher allerdings, wie die Euphorie ensteht. Die Frage dürfte nun eine Forschergruppe aus Nuklearmedizinern und Neurologen von der Technischen Universität München und der Universität Bonn beantwortet haben. Ihre Ergebnisse untermauern die Theorie, dass Endorphine das Hochgefühl auslösen - körpereigene, Opium-ähnliche Stoffe, die das Gehirn ausschüttet.
Der indirekte Beweis gelang den Forschern mit Hilfe eines Tricks. Sie injizierten 20 Athleten eine radioaktive Substanz, die sich im Gehirn an dieselben Stellen anlagert wie die Endorphine. Mit Hilfe einer Technik namens Positronen-Emissions-Tomographie (PET) konnten die Wissenschaftler kontrollieren, wie viel von dem radioaktiven Stoff sich erfolgreich an Bindungsstellen gekoppelt hatte. Die Athleten mussten zwei Stunden laufen, die Forscher führten davor und danach jeweils eine PET durch und verglichen die Bilder.
Das Ergebnis war deutlich: Nach dem Laufen war viel weniger von der radioaktiven Substanz im Gehirn angelagert als davor. Im Umkehrschluss folgern die Wissenschaftler, dass während des "Runner's High" so viele Endorphine die Bindungsstellen besetzt hatten, dass sie den radioaktiven Konkurrenten größtenteils verdrängen konnten.
Für diese Deutung spricht auch, dass die Sportler ihr Hochgefühl um so intensiver erlebten, je weniger von der radioaktiven Substanz in ihrem Gehirn gebunden war.
Selbst ein Kritiker der Endorphin-Theorie zollt den neuen Erkenntnissen Respekt: "Ich bin von den Ergebnissen beeindruckt", sagt Oliver Stoll vom Institut für Sportwissenschaft an der Universität Halle. Mittels PET habe noch niemand das Runner's High untersucht.
Die Münchner und Bonner Forscher hoffen nun, dass ihre Studie Patienten mit chronischen Schmerzen zum Laufen motiviert. Denn die Gehirnareale, in denen offensichtlich besonders viele Endorphine freigesetzt werden, sind auch für die Unterdrückung von Schmerz zuständig.