Verhaltensbiologie:Gleichberechtigung bei Roten Springaffen

Die Affen teilen sich die Familienarbeit auf: Die Mutter nährt und der Vater betreut die Kinder.

Von Katrin Blawat

Kommt ein Baby auf die Welt, ändert sich alles. Vorbei ist es mit der reichlich bemessenen Paarzeit, in der man gemeinsam kuscheln oder jeder einmal seine eigenen Wege gehen konnte. Stattdessen heißt es nun für die Mutter, dem Baby alle zwei Stunden die Brust zu geben. Und der Vater? Der ist nicht weniger beschäftigt. Fast ausschließlich an ihm liegt es, das Kleine herumzutragen, es zu streicheln, zu trösten und mit ihm zu spielen. Hat der Nachwuchs Hunger, bringt der Vater ihn zum Trinken zur Mutter; später hilft er dem Kind mit der ersten festen Nahrung.

Das Weibchen säugt die Kleinen. Alle anderen Aufgaben sind Sache des Männchens

So läuft es ab bei den Roten Springaffen. Diese kleinen, nur bis zu einem Kilogramm schweren Tiere aus dem Amazonasgebiet pflegen ein Familienleben, das unter Primaten und im Tierreich überhaupt recht speziell ist. Nicht nur, weil sie eine monogame Beziehung eingehen. Sondern vor allem, weil der Vater den Großteil der Kinderbetreuung übernimmt. Das Weibchen trägt das Junge etwa fünf Monate lang aus und säugt es nach der Geburt. Alles andere ist dann Sache des Männchens. Vor allem trägt er das Kleine weite Strecken mit sich herum, wenn die Familie zum Beispiel nach Früchten, Samen oder Insekten als Nahrung sucht.

Das Tragen sei für den Vater ähnlich anstrengend wie das Säugen für die Mutter, schreiben Sofya Dolotovskaya und Eckhard Heymann vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen in Animal Behaviour. Die beiden haben untersucht, wie sich männliche und weibliche Springaffen Energie und Zeit neu einteilen, wenn ein Neugeborenes die Routinen durcheinanderwirbelt. Demnach werden Vater und Mutter ihren Aufgaben gleichermaßen gerecht - gehen aber auf gegensätzliche Weise mit der zusätzlichen Anstrengung um. Die Forscher beobachteten sieben Springaffenpaare vor und nach Geburt eines Kindes. Ein wenig überraschendes Ergebnis zeigte sich bei den Affenmüttern: Sie schliefen nach der Geburt deutlich weniger als zuvor. Doch die dadurch eingesparte Zeit nutzten sie nicht etwa zur Kinderbetreuung, sondern zum Fressen. Vor allem suchten sie nach Insekten. Mit ihnen füllten die Weibchen ihren durchs Säugen dezimierten Energiespeicher wieder auf.

Die Väter hingegen wurden trotz des stets an ihnen hängenden Kindes ruhiger. Sie ruhten sich länger aus als vor der Geburt, kamen aber auch weniger zum Fressen. Vermutlich fiel es ihnen mit einem Neugeborenen schwerer, genügend Insekten zu erbeuten, schreiben die Forscher. Da das Tragen des Babys einen Affenvater jedoch viel Energie kostet, spart er diese wohl durch Inaktivität ein, wo immer es geht.

Die Mütter investieren in die Beziehungen zu anderen Affen, damit diese ihr Junges nicht töten

Für Springaffen funktioniert dieses Modell offenkundig gut. Dabei widerspricht ihr Verhalten dem klassischen "Modell des mütterlichen Zeit-Budgets", das die Biologin Jeanne Altmann vor 40 Jahren für Primaten aufgestellt hat. Demnach knapsen sich Weibchen die Stunden, die sie für ihr Neugeborenes benötigen, ausschließlich von jener Zeit ab, die sie vor der Geburt in soziale Beziehungen investiert haben. Die Ruhezeit dagegen ist dem Modell zufolge derart wichtig, dass keine Affenmutter daran sparen würde. Nun zeigen jedoch die Springaffen, dass es sehr wohl auch anders geht: Selbst nach der Geburt ihres Kindes kraulten sich die Mütter noch ausgiebig mit Artgenossen. Bei Springaffen sei das Risiko, dass der Nachwuchs von Gruppenmitgliedern getötet wird, trotz allen Soziallebens hoch, schreiben die Autoren. Da lohnt es sich für eine Mutter wohl, genügend Zeit in gute Beziehungen zu anderen Erwachsenen zu investieren, um auf diese Weise indirekt das Kind zu schützen. Den Springaffen kommt es offenkundig nicht darauf an, in irgendein Modell zu passen, sondern einen guten Weg der Familienorganisation zu finden.

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