Rote Liste:Jede dritte Spezies in deutschen Meeren ist gefährdet

Dornhai, Glattrochen, Schellfisch, Aal: Etwa jede dritte Art in Nord- und Ostsee ist gefährdet - oft durch Überfischung oder Verschmutzung. Die wahre Zahl könnte sogar noch höher sein.

Viele der in deutschen Nord- und Ostseegebieten lebenden Fische und Meeresorganismen sind gefährdet. Sie stehen auf einer neuen Roten Liste, die am Montag vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn veröffentlicht wurde. Insgesamt hatten Experten etwa 1700 Arten von Fischen, bodenlebenden Wirbellosen und Großalgen untersucht.

Auf der Liste stehen auch Knorpelfische wie Dornhai und Glattrochen. Ihre kritische Lage hat sich laut BfN verschärft. Hauptursache dafür sei das viel zu intensive Fischen mit Grundschleppnetzen, das selbst in den Meeresschutzgebieten weitgehend unreguliert erfolge. Zudem beeinträchtigten die Netze die am Meeresgrund vorkommenden Organismen wie Schwämme und Muscheln und die Lebensgemeinschaften der Sandkorallenriffe.

Von den bei früheren Analysen untersuchten 9000 Arten von Land- und Süßwasserorganismen stehen sogar 45 Prozent auf der Roten Liste. "Damit scheint die Situation in den Meeren mit 30 Prozent Rote-Liste-Arten deutlich besser zu sein, doch der Eindruck täuscht", sagte die Präsidentin des BfN, Beate Jessel. Denn bei einem Drittel der Meeresspezies gebe es noch nicht genug Informationen, um die Gefährdung hinreichend einzuschätzen. Nur knapp 31 Prozent aller erfassten marinen Arten gälten nach bisheriger Erfahrung als ungefährdet.

Ruhezonen gefordert

Neben der Bodenfischerei tragen nach Meinung der Experten zwei weitere Faktoren besonders zur Gefährdung der Arten bei. Zum einen werden Abwässer und Düngemittelreste in die Meere geleitet und erhöhen den Nährstoffgehalt. Dadurch bilden sich verstärkt Mikroalgen, die den Lichteinfall in größeren Tiefen verringern. Die Abwässer schaden nach Aussage der BfN-Experten vielen Großalgen und den sogenannten Filtrierern unter den wirbellosen Tieren. Außerdem zerstören maritimer Kiesabbau und Baggerarbeiten, beispielsweise an Häfen oder Fahrrinnen, den Lebensraum von Arten, die fest auf dem Meeresboden sitzen. Das Meer brauche Ruhezonen ohne menschliche Eingriffe wie Fischerei oder Rohstoffabbau, um sich zu erholen, kommentierte Stephan Lutter von der Umweltorganisation WWF die Ergebnisse. "Wir brauchen Meeresschutzgebiete, die diesen Namen auch verdienen", sagte der Experte.

Die aktuelle Rote Liste entstand in sechsjähriger Arbeit. Meeressäugetiere wie Kegelrobbe, Seehund, Großer Tümmler und Schweinswal werden auf der Liste nicht berücksichtigt. Sie wurden bereits 2009 in der Roten Liste der Säugetiere Deutschlands behandelt. Der Große Tümmler gilt nach Angaben der Experten seit den 1970er Jahren als ausgestorben. Kegelrobbe und Schweinswal gelten als stark gefährdet. Lediglich der Seehund ist nicht bedroht.

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