Rote Liste 2007:"Das Artensterben eskaliert"

Inzwischen sind mehr als 16.300 Tier- und Pflanzenarten offiziell vom Aussterben bedroht. Und die Artenvielfalt schwindet immer schneller, warnt die Weltnaturschutzunion.

Martin Kotynek

Jede vierte Säugetierart, ein Drittel aller Amphibienarten und jede achte Vogelart sind vom Aussterben bedroht. Das geht aus der diesjährigen Roten Liste hervor, die die Weltnaturschutzunion IUCN am Mittwoch in Genf veröffentlicht hat.

"Das Artensterben eskaliert", sagt Julia Marton-Lefèvre, Generaldirektorin der Organisation. "Die bisherigen Anstrengungen zum Naturschutz reichen offensichtlich nicht aus. Die Artenvielfalt schwindet immer schneller."

Knapp 7000 Biologen der IUCN und ihrer Partnerorganisationen haben 41.415 Tier- und Pflanzenarten erfasst und sie nach ihrem Risiko auszusterben in sechs Kategorien eingeteilt. Die Wissenschaftler zählen einzelne Individuen oder schätzen die Populationsgrößen anhand von Jagdprotokollen ab. Insgesamt sind 16.306 Arten vom Aussterben bedroht, 188 mehr als im vergangenen Jahr.

Der Anstieg ist zum Großteil auf Arten zurückzuführen, die erstmalig auf der Liste stehen. 3124 Arten finden sich in der höchsten Risikoklasse. 785 Arten sind seit dem Beginn der Auflistung im Jahr 1963 ausgestorben, 65 weitere leben nur noch in Gefangenschaft.

"Der Mensch ist der Hauptgrund für das Artensterben"

"Der Mensch ist der Hauptgrund für das Artensterben", sagt Craig Hilton-Taylor, der bei der IUCN für die Rote Liste zuständig ist. Die meisten bedrohten Arten leben in den Tropen, wo "die Lebensräume der Tiere und Pflanzen durch die wirtschaftliche Entwicklung zerstört werden", sagt Hilton-Taylor.

Weitere Gründe für das Verschwinden der Arten seien fremde Tiere, die importiert würden und heimische Arten verdrängen, eine intensive Landwirtschaft, sowie Umweltverschmutzung und Krankheiten.

Zu den am stärksten bedrohten Arten zählen der Mauigimpel auf Hawaii und der Jangtse-Delphin (Baiji). Der Gorilla wurde in diesem Jahr erstmals in der höchsten Gefährdungsklasse gelistet. Wilderer machen wegen des Fleisches Jagd auf die Affen. Zudem hat das Ebola-Virus die Populationen stark dezimiert. In den vergangenen 25 Jahren gingen sie um 60 Prozent zurück.

Auch der Orang-Utan in Sumatra gilt nun als "äußerst gefährdet". Um Plantagen zu errichten, auf denen die Ölpalme angebaut wird, roden Unternehmen den Urwald und verkleinern so den Lebensraum der Affen. Hochgestuft wurde auch der Ganges-Gavial, ein Krokodil, das in Indien und Nepal lebt.

Seine Population hat sich in den vergangenen zehn Jahren auf 182 Tiere mehr als halbiert. Dämme, Bewässerungsprojekte und begradigte Ufer verkleinerten den Lebensraum des Krokodils, der nur noch zwei Prozent seiner ursprünglichen Größe umfasst.

Nur eine Art konnte die IUCN von einer höheren in eine niedrigere Gefährungsklasse herabstufen. Der Mauritius-Sittich war noch vor 15 Jahren einer der seltensten Papageien der Welt, doch Brutprogramme bewahrten die Art vor dem Aussterben.

"Dass das nur bei einer einzigen Art gelungen ist, ist sehr besorgniserregend, wo sich die Regierungen weltweit doch dazu verpflichtet haben, das Artensterben bis 2010 zu reduzieren", sagt Marton-Lefèvre. "Das zeigt, dass mehr getan werden muss."

In Australien, Brasilien, China und Mexiko leben die meisten gefährdeten Arten. Doch auch in Deutschland sind sechs Arten akut vom Aussterben bedroht. Darunter befinden sich der Europäische Stör, der Engelshai in der Nordsee sowie der Glattrochen, die oft als Beifang in den Schleppnetzen von Fischkuttern landen.

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