Artenschutz:Romeo und Julia im Wassertank

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Als Frosch Romeo (gefleckt) im Naturkundemuseum von Cochabamba zum ersten Mal Fröschin Julia (einfarbig) sah, soll er gesungen und mit den Zehen gewackelt haben. (Foto: AFP)

Lange dachte man, der Sehuencas-Frosch Romeo sei der Letzte seiner Art. Doch dann wurde im bolivianischen Nebelwald ein Weibchen entdeckt.

Von Tina Baier

Es muss Liebe auf den ersten Blick gewesen sein. Zwar kann man sich romantischere Orte vorstellen als einen Wassertank im Naturkundemuseum von Cochabamba, Bolivien. Doch als der Sehuencas-Frosch Romeo dort vor Kurzem zum ersten Mal die Sehuencas-Fröschin Julia sah, begann er sofort zu singen und mit den Zehen zu wackeln. Unter Fröschen ist das ein Zeichen für schwere Verliebtheit.

Die Romanze von Romeo und Julia in Cochabamba hat einen ernsten Hintergrund. Die beiden Tiere gehören zu den letzten Überlebenden der Art Telmatobius yuracare. Ihr Treffen im Wassertank ist der Versuch, die daumengroßen Tiere mit dem orangefarbenen Bauch in Gefangenschaft zu züchten und so vor dem Aussterben zu retten.

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Lange dachte man, dass Romeo der Letzte seiner Art sei. Vor zehn Jahren wurde er irgendwo im bolivianischen Dschungel gefangen und in das Museum gebracht. Weitere Exemplare schien es nicht zu geben. In Cochabamba nannten sie ihn "la rana más solitaria del mundo" - den einsamsten Frosch der Welt. Das Aussterben der Art schien besiegelt zu sein.

Romeos Artgenossen, so glaubte man, seien alle dem Amphibiensterben zum Opfer gefallen, das seit Jahrzehnten fast überall auf der Welt unter Fröschen, Kröten, Salamandern und Molchen wütet. Von den etwa 8000 Amphibienarten, die weltweit beschrieben sind, wurden 900 in den vergangenen 50 Jahren dramatisch dezimiert, schrieben Biologen erst vergangene Woche in der Fachzeitschrift Science.

90 dieser Spezies gelten der Studie zufolge mittlerweile als ausgestorben. Ursache für den Schwund sind sogenannte Chytridpilze. Sie befallen die Haut der Tiere und bauen unter anderem das darin enthaltene Keratin ab - eine tödliche Gefahr für Amphibien, die ihre Haut zum Atmen brauchen. Die Krankheitserreger wurden mittlerweile in 60 Ländern nachgewiesen, besonders betroffen sind Australien, Mittel- und Südamerika - also auch die bolivianische Heimat der Sehuencas-Frösche.

Aus Angst vor dem Pilz wurde Julia, die Biologen erst vergangenes Jahr in einem kleinen Teich mitten im bolivianischen Nebelwald zusammen mit ein paar weiteren Exemplaren dieser Spezies fanden, mit einem Fungizid behandelt. Erst als sicher war, dass sie Romeo nicht anstecken konnte, ließen die Forscher sie zu ihm. Romeo und Julia sind aber nicht die einzigen Amphibien, die Biologen vor dem Aussterben retten wollen, indem sie versuchen, sie in Gefangenschaft zu züchten. "Weltweit gibt es eine ganze Reihe solcher Projekte", sagt Mark-Oliver Rödel, Amphibienexperte am Museum für Naturkunde Berlin. Auf Madagaskar versucht man beispielsweise, das "Goldkrötchen" auf diese Weise zu retten, und in Chile den Darwin-Nasenfrosch, bei dem sich die Männchen um den Nachwuchs kümmern.

In manchen dieser Projekte ist man schon einen Schritt weiter als in Bolivien und hat es geschafft, vom Aussterben bedrohte Frösche oder Kröten zu vermehren. "Diese Arten sind dann zumindest erst einmal gerettet", sagt Rödel. Doch der nächste Schritt, sie wieder in freier Wildbahn anzusiedeln, sei extrem schwierig. In Cochabamba ist Julia inzwischen immerhin ganz zu Romeo in den Tank gezogen. Der tut sein Bestes und soll sogar seine Würmer mit ihr teilen.

© SZ vom 04.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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