Süddeutsche Zeitung

Technikgeschichte:Warum Römerbauten so lange halten

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Antiker Beton ist erstaunlich haltbar. Versuche mit Rezepturen zeigen nun: Bestimmte Zusätze verliehen dem Baustoff Selbstheilungskräfte.

Die Haltbarkeit von altrömischem Beton ist legendär. Manche antiken Aquädukte werden bis heute für die Wasserversorgung Roms verwendet. Auch das 1900 Jahre alte Pantheon steht dank des "opus caementitium", des römischen Betons, noch heute und wird als katholische Kirche genutzt. Seit Jahrzehnten versuchen Wissenschaftler herauszufinden, was den Beton der Römer derart langlebig macht. Nun melden Wissenschaftler aus den USA, sie hätten das Geheimnis gelüftet: Kleine Kalkklumpen könnten dem Beton und Mörtel stabilisierende Eigenschaften verliehen haben, schreibt die Gruppe um Admir Masic vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in der Fachzeitschrift Science Advances. Versuche mit einer solchen Baustoffmischung enthüllten eine Art Selbstheilungskräfte. Bilden sich in dem Beton Risse, durch die Wasser rinnt, so entstehen kalkhaltige Mineralien, die die Hohlräume wieder ausfüllen können.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler immer wieder römischen Beton und Mörtel untersucht. Unter anderem identifizierten sie darin vulkanische Asche und Gesteine sowie Meerwasser als Zutaten, die durch verschiedene chemische Reaktionen die Haltbarkeit steigerten. Millimetergroße Klümpchen aus Kalkstein jedoch wurden zunächst als Verunreinigungen abgetan. "Seit ich anfing, mit antikem römischem Beton zu arbeiten, war ich immer fasziniert von diesen Bestandteilen", wird Masic in einer MIT-Mitteilung zitiert. Die Vorstellung, dass das Vorhandensein der Kalkklümpchen nur auf mangelhafte Qualitätskontrolle zurückzuführen sei, habe ihn immer gestört. Masic und sein Team prüften deshalb die Vermutung, dass dieser ungelöschte Kalk eine bestimmte Funktion im Betongemisch hat.

Die altrömische Betonherstellung war umweltfreundlicher als die heutige

Dazu untersuchten sie Mörtel von Mauern des antiken Ortes Privernum bei der heutigen Stadt Priverno südöstlich von Rom. Demnach bestanden römischer Mörtel und Beton aus Sand, Vulkanasche, Bröckchen vulkanischen Gesteins, Wasser und Klümpchen aus ungelöschtem Kalk - und manchmal war auch gelöschter Kalk dabei. Durch die Reaktion des Wassers mit der Oberfläche des ungelöschten Kalks (Kalziumoxid) entsteht gelöschter Kalk (Kalziumhydroxid), was mit einer Wärmeentwicklung von bis zu 60 Grad Celsius einhergeht.

Der gelöschte Kalk wiederum reagiert mit Wasser und Sand zu einem zementartigen Bindemittel, wodurch noch mehr Wärme frei wird. Die Wissenschaftler sprechen von "Hot Mixing". Durch diese Reaktionen werden zum einen die Gesteinsbröckchen fester in die Zementmatrix eingebunden. Zum anderen würden die Aushärte- und Abbindezeiten erheblich verkürzt, erklärt Masic. Bei modernem Beton sollen hingegen die Zuschlagstoffe möglichst nicht mit dem Zement reagieren.

Masic und Kollegen erstellten auf Basis dieser Erkenntnisse Betonmischungen mit und ohne Kalkklümpchen. Den ausgehärteten Beton spalteten sie und fügten die Teile so zusammen, dass ein 0,5 Millimeter breiter Spalt blieb. Dann ließen sie Wasser durch diesen Spalt laufen. Während beim Beton ohne Kalkbröckchen das Wasser auch nach 30 Tagen noch fast ungehindert durch den Spalt floss, kam beim Beton mit Kalkklümpchen fast kein Wasser mehr durch. Denn der Riss im Beton hatte auch die Kalkbröckchen gespalten, und der ungelöschte Kalk hatte mit dem Wasser zu gelöschtem Kalk reagiert, sich so mineralisiert und den Spalt gefüllt.

Diese Rezepturen könnten möglicherweise auch die Haltbarkeit von 3-D-gedruckten Betonrezepturen verbessern, sagt Masic. Zudem seien diese Mischungen erheblich umweltfreundlicher als die heutige Zementproduktion, die immerhin acht Prozent des weltweiten Kohlendioxid-Ausstoßes verursache. Masic arbeitet auch an einem Beton, der das Treibhausgas Kohlendioxid aus der Luft aufnehmen kann.

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