Antike:Wie Römerstraßen zu Wohlstand führten

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Die Häuser sind längst verfallen, die römischen Straßen dagegen prägen Europa bis heute. (Foto: Fabio Nodari via www.imago-image/imago images/Fabio Nodari)

Entlang der Straßen, die die alten Römer in Europa anlegten, gibt es noch heute mehr Reichtum. Über eine sehr langfristige Investition.

Von Niccolò Schmitter

Der Ruf nach Investitionen in die Infrastruktur ist eine Forderung, die in allen politischen Lagern positive Resonanz findet. Von einem gut ausgebauten Verkehrsnetz profitieren Kapital und Arbeitnehmer ja gleichermaßen. Klar, man muss Geld in die Hand nehmen, aber langfristig haben alle etwas davon. Wie langfristig genau, das will jetzt eine Gruppe von Ökonomen herausgefunden haben, ihre Ergebnisse haben sie im Journal of Comparative Economics veröffentlicht. Vorweg: Der Nutzen ist demnach tatsächlich sehr langfristig.

Das Team um den Ökonomen Carl-Johann Dalgaard von der Universität Kopenhagen hat das berühmte Straßennetz des Römischen Imperiums unter die Lupe genommen. Dabei hat es Karten des römischen Verkehrsnetzes über heutige Satellitenbilder gelegt. Wo es in der Antike wichtige Straßen gegeben hat, befinden sich noch heute Verkehrsknoten, die Verläufe des alten Straßennetzes werden immer noch genutzt. Entscheidender aber sind die ökonomischen Implikationen: Wer da lebt, wo vor 2000 Jahren eine Straße verlief, lebt wahrscheinlich in einer relativ wohlhabenden Gegend. Die Investitionen der Römer zahlen sich offenbar noch heute aus.

Die Römer überzogen ihr Reich mit einem Straßennetz, damit ihre Soldaten schneller marschieren konnten. (Foto: imago stock&people/imago/Leemage)

Um ihre These zu belegen, haben die Wissenschaftler die nächtliche Nutzung von Licht als Indikator für wirtschaftliche Aktivität verwendet. Und tatsächlich leuchten auf den nächtlichen Satellitenbildern entlang der römischen Straßen die heutigen Städte Europas auf. "Da in der Zwischenzeit so viel geschehen ist, müsste sich vieles eigentlich an die modernen Umstände angepasst haben", sagt Ola Olsson, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Göteborg und Co-Autor der Studie. In der Realität aber richte sich die Konzentration wirtschaftlicher Aktivität immer noch nach dem Straßenverlauf des Römischen Reichs: "Obwohl die Straßen schon lange weg sind oder überbaut wurden."

Dabei unterlag der Bau der ersten römischen Straße keineswegs dem Primat der Ökonomie. Es ging - wenig überraschend - ums Militär. Um der in Kampanien tätigen Armee während des zweiten Samnitischen Krieges schneller Nachschub liefern zu können, entschied man sich 312 vor Christus dazu, die Via Appia zu errichten, einen gepflasterten wetterfesten Verkehrsweg von Rom nach Capua. Auch in den folgenden Jahrhunderten schritt der Ausbau vor allem unter militärlogistischen Gesichtspunkten voran. Das Straßennetz ermöglichte es den Römern, ihre Legionen effizienter zu verlegen.

In Nordafrika und im Nahen Osten hatten die Straßen keinen bleibenden Effekt

Die wirtschaftlichen Effekte setzten erst im Nachgang ein. Angeschlossene Städte profitierten vom Handel, andere sanken in die Bedeutungslosigkeit herab. Die Autoren veranschaulichen das an Lugdunum, einer Gründung der Römer aus dem ersten Jahrhundert vor Christus. Zu dieser Zeit war das rund 30 Kilometer südlich liegende Vienne das politische Zentrum der Region. Der römische Provinzstatthalter entschied sich aber dafür, die neue Kolonie zum Knotenpunkt zu machen - und eine sagenhafte Entwicklung setzte ein. Heute heißt Lugdunum Lyon und ist die drittgrößte Stadt Frankreichs. Vienne ist eine kleine Ortschaft mit rund 30 000 Einwohnern.

Diese Weichenstellung hat sogar die turbulente Spätantike überlebt. "Der Untergang des Römischen Reiches hätte eine Gelegenheit geboten, die ökonomischen Strukturen neu anzupassen", sagt Ola Olsson. Dennoch seien die urbanen Strukturen erhalten geblieben. Abgesehen vom nordafrikanischen und nahöstlichen Teil des Reiches: Hier hatten die Straßen keine langfristigen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung - denn sie wurden nicht mehr genutzt. Vom 4. Jahrhundert nach Christus an verdrängten Kamel-Karawanen den Transport auf Rädern, Straßen benötigten sie nicht. Während diese in Europa halbwegs instand gehalten oder überbaut wurden, verwitterten und verschwanden die römischen Verkehrswege im Süden und Osten. "Die Straßen wurden irrelevant", so Olsson.

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