Psychologie:Freitags lockt die Gefahr

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Spieler riskieren mehr, wenn es das letzte Spiel ist. Und Finanzinvestoren riskieren freitags gerne ein bisschen mehr. (Foto: alfexe via imago-images.de/IMAGO/Depositphotos)

Am letzten Arbeitstag einer Woche neigen Menschen offenbar dazu, größere Risiken einzugehen. Auch am Ende eines Monats oder Jahres scheint das zu gelten. Woran das liegen könnte.

Von Sebastian Herrmann

Es war ein Freitag, als Francesco Schettino die Costa Concordia auf riskantem Kurs an Giglio vorbeinavigieren ließ. Das Kreuzfahrtschiff passierte die Küste der italienischen Insel in gefährlich geringem Abstand, doch den Kapitän schien das nicht zu kümmern. Während des Manövers ließ er sich zu spät auf der Kommandobrücke blicken, er brachte Personen mit, die dort nicht sein durften, und plauderte während der heiklen Momente der Passage am Handy mit einem ehemaligen Kollegen. Sorglos war Schettino ein hohes Risiko eingegangen, das in der Katastrophe endete: Die Costa Concordia kollidierte an diesem 13. Januar 2012 vor Giglio mit einem Felsen, lief auf Grund und blieb mit Schlagseite liegen. 32 Menschen starben.

Was den Kapitän genau geritten hat, damit haben sich Gerichte beschäftigt. An dieser Stelle richtet sich die Aufmerksamkeit hingegen auf eine Randnotiz: die Tatsache, dass sich das Unglück an einem Freitag ereignet hat. An diesem Tag scheinen Menschen nämlich stärker als im Rest der Woche ins Risiko zu gehen. Ob dieser Effekt nun das Handeln Schettinos in irgendeiner Weise beeinflusste, ist natürlich pure Spekulation. Dass sich der Einfluss solcher zeitlichen Landmarken wie dem letzten Tag einer Arbeitswoche aber zum Beispiel auf Entscheidungen von Finanzinvestoren auswirkt, das zeigen Forscher um Avni Shah gerade in einer Studie im Journal of Marketing Research.

Hinweise auf solche Endeffekte existieren bereits länger, etwa bei Spielern, die bei ihrem letzten Wetteinsatz in einer Serie größere Risiken eingehen – und zwar unabhängig davon, wie viel sie zuvor gewonnen oder verloren haben. Andere Studien haben nahegelegt, dass Menschen am letzten Tag einer Arbeitswoche, eines Monats oder Jahres im Schnitt optimistischer gestimmt sind, was einen Einfluss auf die individuelle Risikowahrnehmung und das Handeln haben kann.

Dieser Mechanismus, so argumentieren nun Shah und sein Kollege Xinlong Li, stecke auch hinter dem von ihnen beobachteten Effekt, dass Finanzinvestoren an Freitagen riskantere Investments eingehen. Die Forscher analysierten Daten einer US-Kreditplattform, die private Schuldner und Gläubiger vermittelt. Wer dort Geld leihen möchte, muss umfangreiche Informationen zur Verfügung stellen, auf deren Basis sich die Kreditwürdigkeit ermitteln lässt, wovon die Höhe des Zinses abhängt. Auf Basis dieser Informationen können Geldgeber eine Entscheidung treffen, einen Schuldner aussuchen und investieren. Wie an anderen Finanzmärkten gilt auf dieser Plattform: Je höher das Risiko, desto größer ist die potenzielle Rendite sowie die Wahrscheinlichkeit, Verlust zu erleiden.

Vier Millionen von Shah und Li analysierte Investments zeigten, dass die Beteiligten an Freitagen sowie an den letzten Tagen eines Monats oder Jahres höhere Risiken eingingen und – das nur am Rande – dabei schlechtere Renditen erzielten. Eigentlich sollte es keine Rolle spielen, ob eine Entscheidung am Ende einer Woche oder eines Jahres getroffen wird, doch offenbar verleiten diese zeitlichen Wegmarken zu größerem Optimismus. Dieser verleite wiederum, so die Forscher, zu einem gewissen Leichtsinn, der öfter mal in die Hose gehen kann.

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