Süddeutsche Zeitung

Rettung des Regenwalds:Ausverkauf am Amazonas

Viele Brasilianer wehren sich gegen Besserwisser und Gutmenschen aus Industrieländern, die den Urwald vereinnahmen wollen.

Peter Burghardt

Seit Jahren fragt sich die Menschheit, was ihr der größte Regenwald der Erde wert sein soll. Gerade haben Umweltschützer auf der UN-Artenschutzkonferenz in Bonn darüber beraten, wie Tiere und Pflanzen zu retten sein könnten - es ging dabei vor allem um das gewaltige Gebiet am Amazonas.

Aus London meldete sich dazu gelegentlich eine Stimme, die nun auch brasilianische Polizisten, Agenten und Politiker beschäftigt. "Der Amazonas ist die Lunge der Welt", verkündete der schwedische Geschäftsmann Johan Eliasch. Das war bereits bekannt. Doch Eliasch soll mit solchen Argumenten britische Unternehmer dazu angeregt haben, wie er im südamerikanischen Dschungel zu investieren. "Theoretisch", so wird er zitiert, "kannst du den Amazonas für 50 Milliarden Dollar kaufen."

Das war Brasilia endgültig zu viel, Leute wie der umtriebige Skandinavier sind den Behörden unheimlich. 2005 erstand Eliasch nahe Manicoré südlich von Manaus für ungefähr zehn Millionen Euro fast 162.000 Hektar Land, mehr als die Fläche von New York. Er kann sich das leisten: Das Vermögen des Bankers, Filmproduzenten und Chefs des Sportartikelherstellers Head wird von der Sunday Times auf 446 Millionen Euro geschätzt.

Er pflanzte auf seinem Grundstück angeblich 200.000 Bäume und berichtete, den Kahlschlag stoppen zu wollen. Eliasch gründete die Organisation Cool Earth und machte Werbung, es ihm gleichzutun und am großen Fluss Geld auszugeben. Seit September berät er in Umweltfragen den britischen Premier Gordon Brown. Sein Engagement stößt auf heftige Kritik: Eliaschs PR-Abteilung alarmierte Brasiliens Geheimdienst Abin, Zeitungen wie O Globo schreiben vom "grünen Kolonialismus".

Das Thema trifft einen wunden Punkt. In diesen Wochen wird in Brasilien heftig über die Abholzung gestritten, die Agrarindustrie frisst sich angesichts der Nachfrage für Fleisch, Soja und Zuckerrohr immer weiter in das Biotop. Umweltminister Carlos Minc sieht sich nun mit dem bizarren Fall Eliasch konfrontiert. "Ich bin schockiert und werde dafür sorgen, in dieser Geschichte voranzukommen", sagte Minc vieldeutig. Die Justiz ist ebenfalls daran interessiert.

Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hält Ökologen ohnehin für eine Bedrohung des nationalen Fortschritts. Auch Eingeborene wie die Yanomani werfen den steinreichen Invasoren vor, ihren Lebensraum zu besetzen. 3,1 der 5,5 Millionen Hektar am Amazonas sind nach Informationen der Zeitung Folha de São Paulo in ausländischem Besitz, 55 Prozent.

Solche Probleme teilt Brasilien mit Argentinien und Chile. Dort haben Superreiche wie die Amerikaner Douglas Tompkins (Ex-Chef von Esprit und The North Face) und Ted Turner (CNN) riesige Ländereien für private Nationalparks gekauft. Das italienische Imperium Benetton ist mit mehr als einer Million Hektar der größte Grundbesitzer Argentiniens und streitet mit Ureinwohnern.

Der 46-Jährige wirkt als Multimillionär, vormaliges Mitglied der Konservativen Partei und Yachtbesitzer auch nicht wie ein Grüner, aber er gibt in der Sprache des Kapitalisten hehre Ziele vor. Er betrachte den Planeten wie "eine Firma, die große Verluste an Kohlenstoff produziert", erläuterte er dem Wall Street Journal. Wenn man den Raubbau im Urwald aufhalte, bedeute das Gewinn. Seinen brasilianischen Besitz organisiere er wie einen Konzern, der umgestaltet werden müsse: "Man sucht den Platz, wo kurzfristig die größte Wirkung erzielt wird" - also das Gebiet mitten am Amazonas.

Der Unternehmer behauptet, er habe bisher schon verhindert, dass 80 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangten. Dies sei annähernd die Hälfte der jährlichen Emissionen Großbritanniens. Brasilien ist wegen der Brandrodungen einer ausufernden Landwirtschaft der viertgrößte Luftverpester weltweit.

Eine einfache Rechnung

Eliasch machte eine einfache Rechnung auf: Man könne eine direkte Verbindung zwischen gefällten Bäumen und dem Klimawandel mit seinen Wirbelstürmen herstellen. Der Hurrikan Katrina würde Versicherungen mindestens so viel kosten wie die von ihm veranschlagten 50 Milliarden Dollar für die Amazonas-Region. Und Emerson Franca, Bürgermeister der Eliasch-Bastion Manicoré, verwies auf die Nöte seiner abgelegenen Gemeinde: "Uns haben alle vergessen. Wir sind total abhängig von dem Schweden."

Viele Brasilianer indes finden, dass sich Leute wie Eliasch lieber um Ökoautos im alten Europa kümmern sollten. Es sei grotesk, wenn Länder über den Erhalt Amazoniens debattierten, die zu Hause die Atmosphäre verpesteten, spottete Staatschef Lula. "Die Welt muss verstehen, dass Amazonien einen Besitzer hat, und dieser Besitzer ist das brasilianische Volk."

Dem Ausverkauf des wertvollen Gebiets soll ein Gesetz Einhalt gebieten, auch im Sinne der Armee. Fremde Besserwisser, Wissenschaftler und Naturschutzvereinigungen gelten schnell als Spione und trojanische Pferde für internationale Interessen. Der holländische Forscher Marc van Roosmalen, der am Amazonas neue Affenarten entdeckte, landete unter dem Vorwurf der Bio-Piraterie im Gefängnis von Manaus. Johan Eliasch muss aufpassen, dass es ihm in seinem Reservat nicht genauso geht.

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SZ vom 31.05.2008/aho
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