Resistenzen gegen Antibiotika:Antibiotika schon bei einem Schnupfen

Ärzte wissen zwar, wie man Resistenzen und Infektionen eindämmt oder gar verhindert. Studien zeigen trotzdem, dass drei von vier Menschen mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit Antibiotika bekommen. Dabei werden Erkältungsleiden fast immer von Viren ausgelöst - und gegen die helfen Antibiotika nicht. Manche Ärzte rechtfertigen sich damit, dass Antibiotika eine zusätzliche bakterielle Infektion des geschwächten Körpers verhindern. Diese Vorstellung ist längst als falsch entlarvt worden.

Als Folge der ungezügelten Antibiotikagabe werden ständig neue resistente Bakterien gezüchtet. "Ärzte sollten an die erheblichen Nebeneffekte denken, wenn sie Patienten ohne begründeten Verdacht Antibiotika geben", sagt der belgische Mikrobiologe Herman Goosens. Denn einige Keime überleben die Behandlung immer, weil sie durch Mutationen resistent geworden sind. Sie können sich ungehindert vermehren, weil die anderen Bakterien abgetötet werden und keine Konkurrenz mehr darstellen. Dies hat dazu geführt, dass in manchen Kliniken 20 Prozent der Keime als multiresistent gelten.

Zudem geben diese Erreger ihre Widerstandskraft auch an andere Bakterienarten weiter, die womöglich weitaus gefährlicher sind. Mittels Tröpfcheninfektion können resistente Bakterien auch Menschen besiedeln, die noch nie Antibiotika genommen haben.

Weil die Keime so wandelbar sind, ständig mutieren und neue Resistenzen bilden, ist es zu einfach, der Pharmaindustrie vorzuwerfen, sie hätte kein Interesse an neuen Antibiotika. Doch ist der langjährige Entwicklungs- und Zulassungsprozess abgeschlossen, hat sich der Angriffsort im Erreger womöglich längst verändert, so dass die neuen Mittel nicht mehr wirken - oder andere Erreger stellen eine viel größere Gefahr dar.

Bisher standen Ärzten Reserve-Antibiotika zur Verfügung, die nur gegeben werden, wenn nichts mehr hilft. Doch auch gegen diese Notfallmittel haben sich Resistenzen gebildet. "Dann müssen Patienten mit noch stärkeren Mitteln behandelt werden, die womöglich zu schwereren Nebenwirkungen führen", warnt Mikrobiologin Stephanie Dancer aus Glasgow. "Zudem wird vernachlässigt, wie sehr die Umwelt mit Abbauprodukten der Medikamente belastet wird."

Kittel als Keimschleuder

Auch die so strahlend weiß und hygienisch wirkenden Kittel übertragen oft Infektionen. "Weiße Kittel dienen in erster Linie der Psychohygiene der Ärzte", sagt Franz Daschner, langjähriger Leiter der Abteilung für Hygiene am Universitätsklinikum Freiburg. "Dabei sind Kittel zu 95 Prozent für den Arzt-Patienten-Kontakt unnötig und dienen nur dazu, das Namensschild zu befestigen." Straßenkleidung reiche, befindet Daschner.

Kittel, aber auch Krawatten - in England Teil des ärztlichen Dresscodes -, gelten als wahre Keimschleudern. "Das Problem sind nicht Kittel an sich, sondern dass Ärzte sie kaum ausziehen und zu selten wechseln", sagt Jürgen Heesemann vom Max-von-Pettenkofer-Institut der Uni München. "Viele Ärzte gehen im Kittel in die Kantine, da sitzen Pflegekräfte, Handwerker und Leute, die im Tierstall arbeiten. Ein unhygienischer Kittel kann Patienten wie Mitarbeiter gefährden."

Britische Gesundheitsbehörden empfehlen, Kittel aus der Klinik zu verbannen und auf lange Ärmel und Armschmuck zu verzichten. Hemden mit kurzen Ärmeln, die täglich gewechselt werden, reichen. Zum Hantieren mit Blut und Eiter sollten Plastikschürzen, Handschuhe und Mundschutz bereitstehen. Ärzte benötigen Schutzkleidung nur in Ausnahmen, etwa wenn sie Patienten behandeln, die wegen starker Infektionsgefahr isoliert werden müssen. "Dann sollte der Kittel im Krankenzimmer bleiben und vom Arzt nur angezogen werden, wenn er etwa Patienten mit offener Tuberkulose abhört", sagt Daschner.

Dass Ärzte nicht immer auf Sauberkeit achten, belegten Forscher, die sich während einer Hygienikertagung als Klomänner verkleideten. Sie notierten, wie oft sich die Sauberkeitsexperten nach dem Toilettenbesuch die Hände reinigten. Die Hygieniker wuschen sich nicht öfter die Hände als die übrige Bevölkerung. Zum Protest kam es, als die Ergebnisse auf der Tagung bekannt wurden. Die Hygieniker bangten um ihren sauberen Ruf.

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