Reproduktionsmedizin:Fruchtlose Injektion

Aktuelle Statistiken zeigen: Die ICSI wird in der Kinderwunschbehandlung immer beliebter. Dabei ist sie deutlich teurer. Und in der Regel auch weniger effektiv.

Von Kathrin Zinkant

Der Siegeszug der sogenannten Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) ist in Kinderwunschpraxen ungebrochen. Wie der jüngste Bericht des internationalen Komitees zur Überwachung von Fruchtbarkeitsbehandlungen ICMART zeigt, wird die sehr teure, direkte Injektion eines Spermiums in die Eizelle in Europa inzwischen mehr als doppelt so oft genutzt wie die gewöhnliche In-Vitro-Fertilisation (IVF) - bei der sich die Spermien um die Eizelle streiten dürfen. Im Nahen Osten ist das Verhältnis sogar 60 zu 1. Mutmaßlicher Grund ist die Hürde, die mit der Injektion genommen wird: Die ICSI sichert im Gegensatz zur IVF die Befruchtung der Eizelle im Labor. Dass dann auch eine Schwangerschaft entsteht, ist deshalb aber nicht garantiert. Medizinisch sinnvoll ist die ICSI nur, wenn der Mann zu wenige oder unbewegliche Spermien produziert. Ungewollte Kinderlosigkeit liegt aber nur bei jedem dritten Paar am Mann, und nicht immer sind die Spermien der Grund. Die Zunahme der ICSI-Behandlungen erntet deshalb jetzt scharfe Kritik vom Chefredakteur des Fachblatts Human Reproduction, das auch den Bericht des Komitees veröffentlicht. Hans Evers von der Universität in Maastricht schreibt im Editorial, dass die unnötig hohe Zahl von ICSI-Behandlungen auf eine therapeutische Illusion zurückzuführen sei: Weil Frauen durch die Behandlung durchaus schwanger würden, entstehe der Eindruck, dass die Methode besonders gut sei. Tatsächlich würden aber weniger Frauen durch ICSI schwanger als durch eine normale In-Vitro-Befruchtung. "Mit dem Ziel, die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft durch eine sichere Befruchtung zu erhöhen, senken wohlmeinende Ärzte die Chancen", kritisiert Evers. "Das muss aufhören". Auch in Deutschland wird die ICSI bei jeder zweiten Fruchtbarkeitsbehandlung genutzt.

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