Rekordversuch:Fallschirmspringer will die Schallmauer durchbrechen

Aufstieg in einem Ballon der Superlative, Absprung aus nie dagewesener Höhe: Der Extremsportler Felix Baumgartner will sich aus 36 Kilometern Höhe fallen lassen - und innerhalb von 40 Sekunden Schallgeschwindigkeit erreichen. Wie der Körper einen solchen Sprung verkraftet, vermag bislang niemand zu sagen.

Alexander Stirn

Es ist ein großer Sprung für einen Mann, aber ein eher kleiner Schritt für die Menschheit. Die Öffentlichkeit wird trotzdem gebannt zuschauen, wenn der österreichische Fallschirmspringer Felix Baumgartner am Dienstag als erster Mensch die Schallmauer durchbrechen will - im freien Flug durch die Stratosphäre, geschützt allein von einem Raumanzug. Mehr als fünf Jahre lang hat sich der Abenteurer auf den Sprung seines Lebens vorbereitet. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.

Österreichischer Fallschirmspringer will Weltrekord-Sprung wagen

"Ich bin startbereit": Felix Baumgartner hat mehrere Testsprünge absoviert, wie auf diesem Foto vom Foto vom 2.2.2010 zu sehen.

(Foto: dapd/Luke Aikins/Red Bull Stratos)

"Ich bin startbereit", sagt Baumgartner in einer Pressemitteilung des österreichischen Getränkeherstellers Red Bull, der den Rekordversuch unterstützt und vermarktet. Bei dem Sprung aus einer Höhe von mindestens 120.000 Fuß (36.576 Meter) sollen trotzdem nicht nur Spaß und Werbung im Vordergrund stehen.

Baumgartner möchte dabei, so sagt er, auch Erfahrungen sammeln, wie der menschliche Körper auf die Kräfte reagiert, die bei einem freien Fall mit mehr als 1100 Kilometern pro Stunde an ihm zerren. Von den Erkenntnissen könnten eines Tages sogar Weltraumtouristen profitieren - für den Fall, dass sie in großen Höhen abspringen müssen, weil ihr Raumschiff bei der Rückkehr zur Erde technische Probleme bekommt.

16.000 Quadratmeter Polyethylen-Folie

Baumgartners Experimentierfeld ist der Himmel über der Wüste New Mexicos. Dort, auf dem Flughafen der Kleinstadt Roswell, soll am Dienstag sein Rekordsprung starten. Bereits vor Mitternacht will das Team von "Red Bull Stratos" damit beginnen, den Heißluftballon auszubreiten, der den 43-Jährigen in schwindelerregende Höhen bringen soll.

Es ist ein Ballon der Superlative, der größte bemannte Heißluftballon der Geschichte: 16.000 Quadratmeter Polyethylen-Folie haben die Ingenieure dafür zusammengeschweißt. Der Kunststoff ist lediglich 0,02 Millimeter dick - zehnmal so dünn wie ein gewöhnlicher Gefrierbeutel. Dennoch wiegt der Ballon fast 1,7 Tonnen. Sieben Stunden werden die Vorbereitungen dauern.

Stehen die Winde günstig und blasen sie mit maximal drei Kilometern pro Stunde (eine höhere Geschwindigkeit könnte die Ballonhülle beschädigen), will die Crew mit dem knapp 60-minütigen Befüllen beginnen. Etwa 850.000 Kubikmeter Helium - oder mehr als 300 olympische Schwimmbecken voll - werden nötig sein, um den Ballon auf die gewünschte Höhe zu bringen.

Schockwellen und explosionsartige Stöße

Jetzt klettert auch Felix Baumgartner in die Druckkapsel, die später 46 Meter unter dem Ballon baumeln wird. Der Extremsportler, der zuvor mit Karbonflügeln am Körper über den Ärmelkanal geflogen und von der Christusstatue in Rio de Janeiro gesprungen ist, trägt bereits seinen extra angefertigten Raumanzug. Er soll ihn vor der Kälte und dem Unterdruck der Stratosphäre schützen, zugleich aber flexibel genug sein, um damit springen zu können.

Drei Stunden dauert der Aufstieg. Die Temperatur sinkt dabei auf minus 70 Grad Celsius, der Ballon bläht sich immer weiter auf, zuletzt erreicht er einen Durchmesser von 129 Metern. Dann, in gut 36 Kilometer Höhe, ist Schluss; das Helium kann in der dünnen Umgebungsluft keinen zusätzlichen Auftrieb mehr erzeugen. Baumgartner reduziert den Druck in seiner Kapsel, öffnet die Luke, blickt in den tiefschwarzen Himmel und springt.

Was dann passieren wird, ist unklar. Die aerodynamischen Vorgänge rund um die Schallmauer lassen sich nur schwer theoretisch vorhersagen - ganz besonders bei einem unregelmäßig geformten Gegenstand wie dem menschlichen Körper. Baumgartners Medizinberater Jonathan Clark, der bereits für die Gesundheit der amerikanischen Spaceshuttle-Astronauten verantwortlich war, rechnet mit Schockwellen, vielleicht sogar mit Turbulenzen und explosionsartigen Stößen.

Beim Testsprung flog er so schnell wie ein Verkehrsverflugzeug

Der Flug dürfte jedenfalls unruhiger werden als Baumgartners letzter Testsprung im August. Bei diesem hatte der Österreicher aus 29.000 Meter Höhe eine Geschwindigkeit von 864 Kilometern pro Stunde erreicht - etwa so viel wie ein Verkehrsflugzeug.

Allerdings ist noch nicht sicher, ob Baumgartner bei seinem jetzigen Sprung, mit dem er den Höhenrekord des US-Luftwaffenpilots Joe Kittinger aus dem Jahr 1960 übertreffen will, überhaupt Schallgeschwindigkeit erreicht. Bei etwas mehr als 1100 Kilometern pro Stunde liegt die Grenze in diesen Höhen.

Ein unsauberer Absprung oder ein leichtes Trudeln könnten verhindern, dass Baumgartner das angepeilte Tempo erreicht. Viel Zeit zum Eingreifen und Nachdenken dürfte der Extremsportler ohnehin nicht haben: Funktioniert alles wie berechnet, beschleunigt Baumgartners Körper in weniger als 40 Sekunden von null auf Schallgeschwindigkeit.

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