Klimakolumne:Die Sache mit dem Fernweh

Flughafen Hamburg erwartet Passagieransturm

Ausgehungert vom Reisen - Viele reisen mit dem Flugzeug in den Sommerurlaub.

(Foto: Jonas Walzberg/dpa)

Es darf wieder gereist werden - und alle machen mit. Schön und gut. Aber was passiert, wenn der erste Reisehunger gestillt ist? Fliegen wir dann munter durch die Welt, einfach weil wir es können?

Von Vivien Timmler

Na, haben Sie schon Ihren Sommerurlaub gebucht? In meinem Bekanntenkreis gibt es derzeit kaum ein anderes Thema. Irgendwie ja auch verständlich, schließlich soll er etwas Besonderes sein, der erste Urlaub nach dem gefühlt endlos langen Corona-Winter und dem sich nahtlos daran anschließenden Corona-Frühling. Endlich wieder Wellen an den Füßen spüren, statt immer nur in der Zeitung von ihnen zu lesen. Hach.

Ich selbst hinke jedoch hinterher. Während das befreundete Pärchen akribisch den Roadtrip durch Korsika plant und die Nachbarsfamilie noch überlegt, ob zwei Wochen Andalusien reichen oder nicht eine dritte gut wäre, so für die Entschleunigung und überhaupt, sitze ich mit meinem Glas Wein auf meiner Terrasse und frage mich: Will ich überhaupt irgendwo hin?

Nun habe ich als Mensch, der seine Freizeit ohnehin am liebsten in den Bergen verbringt, im Münchner Süden leicht reden. Als jemand, der angesichts einer Fülle plötzlicher Optionen dazu tendiert, lieber erstmal gar nichts zu unternehmen, wahrscheinlich auch. Und als Neu-Hundebesitzerin sowieso, aber das ist ein anderes Thema.

Ich sinniere also über die Frage, wo ich wohl 2021 hätte hinreisen wollen, wenn diese ganze Pandemie nicht gewesen wäre und mir so gut wie jede Grenze dieser Welt jederzeit offen gestanden hätte. Und komme zu dem Schluss, dass meine Antwort wahrscheinlich trotzdem "Südtirol" gelautet hätte, Corona hin oder her.

Das liegt vor allem daran, dass die schönsten Wander- und Klettergebiete nach allem, was man weiß, auch in Pandemie-Zeiten dort bleiben, wo sie immer schon waren. Das hat aber auch damit zu tun, dass ich einfach in kein Flugzeug steigen mag, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.

Sind wir wirklich alle so "ausgehungert vom Reisen"?

Doch die Frage ist: Lässt es sich vermeiden? Die Leute seien "ausgehungert vom Reisen", konstatiert Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt. Auch wenn viele Klimaschutz mittlerweile für wichtig hielten, seien nur wenige "bereit, dafür aktuell auf den Flug nach Mallorca zu verzichten". Verzicht, einer der großen Reibungspunkte in der Klimadebatte, da ist er wieder. Schon für die Aussage, dass es irgendwann mal mit Kurzstreckenflügen vorbei sein sollte, haben die Grünen jüngst viel Ärger bekommen.

Wer Hunger hat, soll essen; Sehnsüchte wollen gestillt, Fernweh will gelindert werden. Die Frage ist nur, ob der Spontan-Flug nach Mallorca drei Tage nach Aufhebung der Reiserestriktionen und die erstbeste Pauschalreise zu Beginn der Sommerferien wirklich die Mittel der Wahl sein müssen. Ob das nachhaltig sein kann - sowohl in Bezug auf die Umweltfolgen, aber auch auf das eigene Reisefieber. Und vor allem: Wie es weitergeht, wenn die erste große Reiselust verflogen, gleichzeitig aber wieder alles möglich ist. Fliegen wir dann munter durch die Welt, einfach weil wir es können?

Wie halten Sie es diesen Sommer mit dem Verreisen? Sind auch Sie "ausgehungert"? Oder hadern Sie damit, in ein paar Wochen ins nächstbeste Flugzeug zu steigen? Schreiben Sie uns gerne an klimafreitag@sz.de. So oder so wünsche ich Ihnen einen wunderbaren Sommer.

Herzliche Grüße,

Vivien Timmler

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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