Raumfahrt:Wie Space-X den Raketenmarkt aufmischt

Die "Falcon Heavy" des Raumfahrt-Unternehmens SpaceX hebt zum Jungfernflug ab

Die Schwerlastrakete "Falcon Heavy" hebt in Cape Canaveral nach mehrstündiger Verzögerung zu ihrem Jungfernflug ab.

(Foto: Joe Burbank/dpa)
  • Space-X hat am Dienstag seine neue Schwerlastrakete "Falcon Heavy" erfolgreich getestet.
  • Mit neuen Ansätzen mischt das Unternehmen den Raketenmarkt auf: Wiederverwendbarkeit, Modularität und ständige Verbesserungen.
  • Die nächste, noch größere Rakete ist schon in Arbeit.

Von Alexander Stirn

Solch ein Spektakel hat sogar das altehrwürdige Cape Canaveral noch nicht erlebt. Mondraketen sind dort, an der Ostküste Floridas, schon in den blauen Himmel gestiegen - und viele hundert Astronauten. Die amerikanischen Spaceshuttles haben ihren ersten Start und ihre letzte Landung absolviert. Doch als am Dienstagabend zwei ausgebrannte Raketenstufen aus dem Weltall zurückkehrten und beinahe synchron nahe der Startrampe aufsetzten, staunten sogar abgebrühte Raumfahrtexperten.

Scheinbar mühelos hat das Unternehmen Space-X am Dienstag seine neueste Rakete getestet, von der Teile wieder sicher zurück zur Erde flogen. Falcon Heavy heißt das Monstrum. Mit einem Schub, der einem Gewicht von mehr als 2,3 Millionen Kilogramm entspricht, so viel wie 18 Jumbo-Jets, gilt das 70 Meter lange Ungetüm als derzeit leistungsfähigste Rakete der Welt (die Mondrakete Saturn V war einst noch stärker). Doch die beeindruckenden Leistungsdaten täuschen über die eigentlichen Neuerungen hinweg, mit denen Space-X derzeit den Raketenmarkt aufmischt. Sie heißen: Wiederverwendbarkeit, Modularität und ständige Verbesserungen.

Sieben Jahre hat die Entwicklung der Falcon Heavy gedauert. Geschätzt eine halbe Milliarde Dollar sei in das Projekt geflossen, berichtet Firmenchef Elon Musk. Ursprünglich sollte das Geschoss, das mit 63,8 Tonnen Nutzlast mehr als doppelt so viel in die Erdumlaufbahn bugsieren kann wie die Konkurrenz, bereits 2013 starten. Nun ist es Februar 2018 geworden. Ganz so einfach wie der Erstflug ausgesehen haben mag, war die Entwicklung nicht. Im Prinzip besteht das Ungetüm aus drei zusammengeschraubten Hauptstufen der kleineren Falcon-9-Rakete, die je neun identische Triebwerken haben. Hinzu kommt die bewährte Oberstufe. Musk hatte, wie er nach dem Start einräumte, allerdings Bedenken, dass es zu unerwarteten aerodynamischen Effekten zwischen der zentralen Raketenstufe und den beiden seitlich angebrachten Boostern kommen könnte - etwas, das sich am Computer nur schwer simulieren lässt. Die Befürchtungen waren unberechtigt.

Neben diesem modularen Ansatz stellt Space-X die Wiederverwendbarkeit in den Mittelpunkt. Alle Raketen der Konkurrenz waren bislang - abgesehen von Teilen des Spaceshuttles - Wegwerfprodukte. Die beiden seitlichen Booster der Falcon Heavy trennten sich hingegen in gut 60 Kilometern Höhe vom Rest der Rakete, drehten sich um 180 Grad, zündeten nochmals ihre Triebwerke und landeten acht Minuten und sechs Sekunden nach dem Start elegant in Cape Canaveral. "Hut ab! Mir ist dabei die Kinnlade runtergeklappt", twitterte der deutsche Astronaut Alexander Gerst. Elon Musk sieht das entspannter: "Ohne selbstgefällig klingen zu wollen, aber ich glaube, die wiederverwendbaren Booster haben wir mittlerweile im Griff", sagte er nach dem Start.

In der Tat landen bereits seit Jahren regelmäßig die Hauptstufen der Falcon 9, die sich technisch kaum von den seitlichen Boostern der Heavy-Variante unterscheiden. Als nächstes soll auch die Verkleidung aufgefangen werden, welche die Nutzlast an der Spitze der Rakete schützt und später abgesprengt wird. "Noch sechs Monate, dann ist es so weit", verspricht Musk.

Space-X arbeitet längst an einer noch größeren Rakete

Lediglich die zentrale Raketenstufe, die für den Einsatz bei der Falcon Heavy technisch leicht umgebaut werden musste, schaffte es am Dienstag nicht, wie geplant auf einer Plattform im Ozean zu landen. Offenbar zündete nur eines von drei benötigten Bremstriebwerken. Die Stufe raste mit fast 500 Kilometern pro Stunde in den Atlantik. Die Rückkehr der anderen beiden Booster sei ohnehin wichtiger gewesen, sagte Musk mit einem Schmunzeln. Bei ihnen kamen Stummelflügel aus Titan zum Einsatz, die zur Steuerung dienen. Und die seien "wirklich teuer".

Auch das gehört zur Philosophie von Space-X: Während andere Raketenbauer nur ungern Hand an ihre einmal entwickelten Vehikel legen, werden die Space-X-Raketen ständig im Detail verändert und verbessert. Fast jeder Start wird damit zu einem Testflug. Ein Risiko, das Musk bewusst eingeht.

Seine mitunter phantastisch klingenden Visionen sind es, die auch Tesla scheinbar unangreifbar machen. Wie am Mittwoch, als das Unternehmen quasi parallel zum Space-X-Erfolg den bislang höchsten Quartalsverlust verkünden musste: Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum weitete der Elektroautobauer den Verlust von 121 Millionen auf 675 Millionen Dollar (550 Mio Euro) aus. So viel Geld hat die 2003 gegründete Firma noch nie in einem Quartal durchgebracht. Analysten hatten jedoch ein noch schlechteres Ergebnis befürchtet. Am Markt kamen die Zahlen gut an, die Aktie stieg nachbörslich zunächst um etwa zwei Prozent.

Und Musk werden die Visionen wohl nicht so schnell ausgehen. Die Falcon Heavy soll nicht das Ende der Entwicklung sein. Längst arbeitet Space-X an einer noch größeren Rakete, die bis zu 150 Tonnen in eine Umlaufbahn bringen kann und dereinst Mars-Flüge unternehmen soll. Sie wird meist nur mit ihrer halboffiziellen Abkürzung: BFR. Das B steht für "big", das R für "rocket", und das F, tja, darüber gibt es verschiedene, auch nicht druckbare Versionen. "Verdammt große Rakete" könnte man vorsichtig übersetzen. Erstmals macht Space-X damit der US-Raumfahrtbehörde Nasa direkt Konkurrenz, die ebenfalls an einer Schwerlastrakete arbeitet, dem immer wieder verschobenen Space Launch System. In drei bis vier Jahren, so Elon Musk in Cape Canaveral, sei mit den ersten Starts der BFR zu rechnen. Das könnte eine neue Ära bemannter Mond- und Marsflüge einläuten.

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